00:00:30:18 - 00:01:47:03 Elise Schobeß Hallo, zur sechsten Folge von "Postskriptum" ein Podcast im Rahmen des Hamburg Open Online University Projekts "Accessing Theater". Das hier wird die erste von hoffentlich einigen Folgen sein, die sich mit dem Bereich Musiktheater auseinandersetzen. Ich freue mich, dass ich hier live einen Gesprächspartner begrüßen kann, der aus der Perspektive der Regie etwas über Musiktheaterstück-Entwicklung gemeinsam mit KomponistInnen erzählen kann. Ganz konkret wird es in unserem Gespräch um die Zusammenarbeit zwischen Regie und Multimediakomposition gehen. Was Multimediakomposition auszeichnet, ist ja ihre mediale und technologische Komplexität. Also das bedeutet zum Beispiel modularisierte LED-Video-Panels, eine Verräumlichung von Klang mithilfe von Technologien oder der Einsatz von Sensoren bzw. Motion Capture Systemen. Wir sprechen heute darüber, wie genau die Arbeit innerhalb einer Multimedia-Musiktheaterstück-Entwicklung funktioniert und welche Besonderheiten und Herausforderungen es da gibt. Ich bin übrigens Elise Schobeß, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promovendin an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und freie Dramaturgin. Ich freue mich sehr, mich heute mit Ron Zimmering, Regisseur und künstlerischer Leiter des aus acht Uraufführungen bestehenden Multimedia-Musiktheaters "Space Journey" zu unterhalten. Hallo Ron. 00:01:47:16 - 00:01:49:05 Ron Zimmering Hallo Liese, ich freue mich, dass ich da bin. 00:01:49:05 - 00:01:57:03 Musik [Musik] 00:02:00:09 - 00:02:30:24 Elise Schobeß Kurz vorweg: Wir beide kennen uns gut, da wir gemeinsam die künstlerische Leitung für das Multimedia-Musiktheater-Projekt Space Journey innehatten. Während ich mich auf der künstlerischen Ebene vor allem um die Gesamtdramaturgie gekümmert habe, hast du, Ron, neben der künstlerischen Leitung auch mit zwei Komponisten ganz direkt an ihrer jeweils zehnminütigen Komposition mitgearbeitet. Bevor wir jetzt ins Thema einsteigen, würde ich dich als allererstes bitten, dich einmal kurz vorzustellen. Vielleicht besonders, was den Bereich der Zusammenarbeit mit KomponistInnen und mit Multimedia angeht. 00:02:31:17 - 00:04:11:19 Ron Zimmering Also für mich war es tatsächlich das erste Mal, wirklich mit Multimedia-KomponistInnen zusammenzuarbeiten. Ich komme ja erst einmal vom Schauspiel. Ich habe Schauspiel studiert, danach Regie studiert. Ich habe noch mal zurück überlegt, wann habe ich das erste Mal überhaupt mit KomponistInnen zusammengearbeitet. Das war, glaube ich, vor zehn Jahren. Da haben wir so ein Projekt gemacht, "Circus Melodia", Kompositionen für Kinder, so ein bisschen nach dem Vorbild von "Peter und der Wolf". Und das war das erste Mal die Erfahrung, mit mehreren Komponisten zu arbeiten, die was komponieren und dann in der szenischen Probe das zu überprüfen und dann noch zu gucken, wie sozusagen die szenischen Erfahrungen dann auch wieder Einfluss auf die Komposition haben und das dann auch die Komposition verändert oder weiterentwickelt hat. Und ich habe dann später ein Projekt, was wir gemeinsam gemacht haben "Hamburger Menetekel" am Schauspielhaus, wo wir mit einem Sinfonieorchester zusammengearbeitet haben und Graffitis der Stadt eingelesen haben und daraus ja so eine Art Graffiti-Oper erarbeitet haben. Und das war so das erste Mal wirklich mit so einem Klangkörper zusammenzuarbeiten, auch mit einem Komponisten. Und jetzt zuletzt hatte ich an der Hamburger Staatsoper "La Luna" aufgeführt. Eine Uraufführung, wo ich das erste Mal sozusagen diesen ganzen Apparat mit allen Etappen, die es da gibt, miterleben konnte und auch das Glück hatte, mit dem Komponisten sehr eng auch in diesem Kommunikationsprozess, Entstehungsprozess zusammenzuarbeiten. Genau. Und von daher fand ich das unglaublich spannend, jetzt hier für mich irgendwie auch Neuland kennenzulernen, weil natürlich so diese Frage: Was ist denn überhaupt Multimedia-Komposition? Das war für mich ganz spannend zu entdecken. 00:04:12:11 - 00:04:30:23 Elise Schobeß "Space Journey" war ja insofern ein spezielles Projekt, weil seit 2019 diese Technologien da im Forum installiert wurden. Etwas, was es jetzt nicht überall gibt an Theatern. Eine große LED-Videowall, die man in einzelne Panels zerlegen kann, eine Raumakustikanlage. Inwieweit kanntest du denn diese Technologien oder was wusstest du vorab darüber? 00:04:32:01 - 00:05:07:23 Ron Zimmering Eigentlich nicht viel. Also ich kannte Videowall. Mit einer Videowall haben wir am Schauspielhaus zusammen arbeiten können. Da hatte ich so ein bisschen die Vorstellung. Aber was dieses Motion Capture oder auch diese 150 Lautsprecher, die einzeln steuerbar sind und so weiter, das war für mich total Neuland. Auch diese Bohlen-Pierce-Skala und sag ich mal diese Form von Musik und auch diese Steuerung. Also dass man sagt, wir arbeiten nicht mit Papiernoten, sondern mit so einem Scrolling-System. Und wie kann so was überhaupt funktionieren, dass da gar keine Dirigentin steht, sondern dass alle iPads haben und dass die zentral gesteuert werden? Das war für mich totales Neuland. 00:05:08:19 - 00:05:19:18 Elise Schobeß So ganz grundsätzlich: Wenn du bei einer Neukomposition die Regie übernimmst, wie bereitest du dich auf die Zusammenarbeit mit dem Komponisten oder mit der Komponistin vor? Was hörst du vorher, was liest du vorher? 00:05:20:16 - 00:06:24:19 Ron Zimmering Also ich finde es natürlich total hilfreich, sich so zeitig wie möglich mit dem Komponisten oder der Komponistin zu treffen. Und eigentlich ist für mich erst mal am wichtigsten zu erfassen, Was ist eigentlich so das Anliegen oder was ist so die zentrale Idee von dem Komponisten oder der Komponistin und dann auch so ein Gefühl dafür zu kriegen: Wofür steht sie oder er? Was ist so seine Essenz? Ich habe dann oft haben wir uns Sachen angehört, also jetzt in dem Fall habe ich mir als erstes Stücke, die es schon gibt, vorher angehört und dann darüber zu sprechen, was ist so, was ist so der Ausgangspunkt, wo kann ich andocken und wo kann man das dann auch gemeinsam weiterentwickeln? Und auch so ein bisschen: Was erwartet eigentlich der andere von mir? Was braucht er? Ist es so, dass er schon eine ganz klare Vorstellung hat? Oder ist sie so, dass sie an manchen Stellen vielleicht Input oder so braucht? Oder ja. 00:06:24:19 - 00:06:42:18 Elise Schobeß Ganz konkret jetzt hier hast du ja mit Georg Hajdu und mit James Jeong gearbeitet. Hattest du da direkt eine Idee, was auch szenisch dazu passen würde, als du dich angefangen hast, mit ihrer Kompositionsweise zu beschäftigen? Oder hat das erst also Fahrt aufgenommen, nachdem ihr euch einige Male getroffen hattet und da Ideen gereift sind? 00:06:43:18 - 00:07:53:06 Ron Zimmering Genau. Also mit Georg Hajdu haben wir schon sehr, sehr zeitig angefangen, uns zu treffen und James kam ja dann erst sehr knapp dazu. Das heißt, dieser Prozess war sozusagen so im Zeitraffer. Und bei Georg, er hat, fand ich, schon von Anfang an eine ganz klare... Also er hatte einen Stoff, eben diesen Solaris-Stoff von Stanisław Lem. Es gab sozusagen thematischen Ausgangspunkt. Er hatte auch eine musikalische Idee, so eine amorphe Klangwelt zu kreieren und eben ausgehend von dieser Filament-Struktur im Universum davon eigentlich sozusagen die Tonhöhen abzuleiten. Und von daher gab es schon so eine konkrete, auch fassbare Idee und daraus konnte ich mir dann auch... Schnell hatte ich so erste szenische Bilder, dass man eben sagt: Okay, es geht um diesen Ozean, der so eine Art fremde Intelligenz ist, und es wäre doch eigentlich spannend, diesen Chor zu haben und dass der eben auch so schrittweise auftritt und auch so was Amorphes hat. Es war klar, dass dieser Text... dass es eine Sprecherin geben wird. Von daher entstand auch für mich ein relativ klares Bild, was da szenisch passieren könnte. 00:07:53:22 - 00:09:15:22 Sprecherin in Performance Wir haben uns auf alles vorbereitet. Auf Einsamkeit. Auf Kampf. Auf Martyrium. Und sogar auf den Tod haben wir uns vorbereitet. Wir sind großartig. Gut, aus Bescheidenheit sprechen wir das nicht laut aus. Aber wir wollen ja gar nicht den ganzen Kosmos erobern. Wir wollen nur die Erde bis an ihre Grenzen, bis an seine Grenzen erweitern. Wir sind humanitär und edel. Wir wollen die anderen Rassen nicht unterwerfen, wir wollen ihnen nur unsere Werte übermitteln. Und als Gegengabe ihrer aller Erbe annehmen. Wir sind die Ritter vom heiligen Kontakt. Ja. Alles Lüge. Menschen suchen wir, niemanden sonst. Wir brauchen keine anderen Welten. Wir brauchen Spiegel. Mit anderen Welten wissen wir gar nichts anzufangen. Wir suchen das eigene idealisierte Bild. Und diese Globen und Zivilisationen, die haben besser zu sein als die unsrige. In anderen hoffen wir, das primitive Abbild unserer Vergangenheit zu finden. So sind wir hierher geflogen, wie wir wirklich sind. 00:09:15:22 - 00:09:44:12 Elise Schobeß Früher waren ja die Arbeitsschritte immer ziemlich klar voneinander getrennt. Also da gab es halt erst das Libretto, das geschrieben wurde, dann hat sich der Komponist oder die Komponistin alleine hingesetzt, komponiert und am Ende kam dann die Regisseurin oder der Regisseur dazu und hat die Inszenierung auf Basis dessen, was schon vorhanden war, gemacht. Heute ist das ganz oft auch anders. Das hast du vorhin auch gesagt, dass es viel mehr prozessorientiert ist, ineinander verschränkt. Wie war das denn bei euch jetzt in diesen beiden Fällen? Wie sah die Zusammenarbeit aus? 00:09:46:02 - 00:10:09:16 Ron Zimmering Also das erste ist, von der Regie kommend bin ich natürlich eigentlich gewöhnt, man fängt mit einem weißen Blatt Papier an und gemeinsam setzten wir uns zusammen und man überlegt gemeinsam: Was will man eigentlich machen? Und das ist natürlich, wenn ich mit einem Komponisten oder einer Komponistin zusammenarbeite, erst mal eine andere Situation, da es sein kann, dass es da schon eine Vision oder eine erste Idee oder einen Ausgangspunkt gibt. 00:10:09:16 - 00:12:02:21 Ron Zimmering Das habe ich irgendwie auch kapiert - als ich eine Hamburger Staatsoper inszeniert habe -, dass das halt ja eigentlich sozusagen erst mal die Oper oder die Uraufführung des Komponisten ist und jetzt sozusagen gar nicht so mein Regie-Ding im ersten Schritt. Aber was du gesagt hast, finde ich total wichtig und habe das Gefühl, dass das auch so ein bisschen die Zukunft ist, dass man eigentlich immer mehr wegkommt von diesem: Die Komponistin ergießt das heilige Werk und dann kommt der Regisseur und guckt, wie er das irgendwie auf die Bühne bringt. Sondern dass es natürlich total befruchtend sein kann, wenn man auch schon in diesem Entstehungsprozess sich gegenseitig die Bälle zuspielt. Und eigentlich bei beiden war das so, dass zum Beispiel jetzt bei Georg, eher dieses ganze Thema Text, was man aus diesem Text macht, mir überlassen hat. Ich habe diesen Roman gelesen und dann daraus eine Textfassung gebaut, habe sozusagen auch so verschiedene Wege, also worauf man den Schwerpunkt setzt. Es gab da so verschiedene, also zwei Möglichkeiten. Und wir haben uns dann für eine entschieden. Und er hat mir da auch freie Hand gelassen in der Arbeit eben des Textes und der Aufteilung. Diese Idee, dass man diese Komposition in drei Teile teilt, ist daraus entstanden. Und er hat dann wiederum ausgehend von dem Text, den ich herausdestilliert habe aus dem Roman, dann darauf die Komposition gesetzt, hat dann teilweise auch die Stimmen von der Schauspielerin, die sie eingesprochen hat, da wieder in die Komposition mit eingearbeitet. Also von daher war das auch so ein Geben und Nehmen. Und ähnlich war es auch bei James, der auch mit einer klaren Thema oder Idee aufkam, der sozusagen auch schon sehr konkret auch szenische Vorstellungen hatte, was auf der Szene passiert, bis hin zu auch Timingfragen und Lichtwechsel und in welchem Rhythmus müsste welcher Lichtwechsel kommen. Und da konnte man sich gut eigentlich die Bälle so gegenseitig zuspielen und auch spiegeln und sagen: Du, ich habe das Gefühl, das Video ist viel zu unruhig, das verträgt viel, viel, viel mehr Zeit; kannst du es nicht mal dreimal so langsam machen oder...? Genau. 00:12:02:21 - 00:13:01:01 Sprecherin in Performance [Performance: Alarmsirene] [Weibliche, digitale Security-Stimme spricht] 00:13:08:13 - 00:13:16:21 Elise Schobeß Läuft das dann immer reibungslos ab so wie du das jetzt beschreibst? Und habt ihr darüber gesprochen, wie eure Zusammenarbeitsweise ist oder hat sich das einfach organisch direkt ergeben? 00:13:17:05 - 00:14:00:05 Ron Zimmering Also das gab es bei beiden nicht die Situation, dass man vorher versucht zu definieren: Wie stellen wir uns eine Zusammenarbeit vor? Ich habe das Gefühl, dass das oft auch im Gespräch sich so ergibt, also dass ich so ein bisschen spüre, der andere hat ja schon ein ganz, ganz genaues Bild und sieht mich eher als jemanden, der das supportet. Oder es ist eher so brainstorming-mäßig: Ja, ich dachte als Ausgangspunkt vielleicht das, was meinst du? Und dass sich daraus auch so ein bisschen die Beziehung ergibt. Ich hatte jetzt in diesem Projekt ja mit dieser Doppelrolle, dass ich auch künstlerische Leitung war... habe ich mich als Regisseur auch eher in der dienenden Position empfunden als ich das sonst als Regisseur empfinde. Genau. So dass für mich erst mal auch im Zentrum stand: Okay, was braucht der oder die KomponistIn von mir jetzt? 00:14:01:03 - 00:14:46:20 Elise Schobeß Weil du das auch gerade gesagt hast, du auch künstlerischer Leiter oder wir beide natürlich auch künstlerische Leiter für alle Beiträge waren, für das Zusammenführen. Es war ja so, dass das in den verschiedenen Beiträgen einen ziemlich unterschiedlichen Umgang auch mit den Technologien gab und jetzt insbesondere das Video auch bei manchen Beiträgen eine sehr große Rolle gespielt hat, bei anderen Beiträgen eher eine kleine, dann gab es Beiträge, die waren komplett ohne Video. Bei deinen beiden Beiträgen, also bei Georg und bei James, hat das Video jetzt aus meiner Wahrnehmung insbesondere bei Georg eher eine große Rolle gespielt. Würdest du das so beschreiben, dass das Video auch wirklich unmittelbar zur Komposition dazugehört, also zur Multimedia-Komposition? Oder würdest du das schon noch als zwei getrennte Bereiche definieren? 00:14:47:07 - 00:16:19:17 Ron Zimmering Ich würde schon sagen, dass das neben der Musik und dem szenischen Vorgang ein gleichberechtigter Spielpartner ist. Und das war natürlich auch das Anliegen oder der Anspruch zu sagen: Das Video muss mehr als ein dekoratives Element sein, was irgendwas illustriert, sondern was ein eigener Mitspieler ist. Bei Georg war es natürlich schon so klar, dass die Ideen des Videos ja aus der Komposition, aus dem Inhaltlichen gewachsen sind und dass es dann auch im Umkehrschluss plötzlich, als man das dann auf der Bühne gesehen hat und gemerkt hat "ah, irgendwie erzählen sich bestimmte Sachen auch nicht so richtig, wir müssen das Video eigentlich wieder noch mal ändern oder so", dass es da auch so eine Wechselwirkungen gab, dass man sozusagen das Video nicht nur als eine Tapete sozusagen erschafft und einfach nach hinten hängt und sagt: Guck mal, hier haben wir das schöne Video. Sondern dass das natürlich eine Einheit bieten soll und muss und dass natürlich zum Beispiel auch jetzt bei Solaris, wo es um diesen Ozean geht, dass er erst an dieser zweiten Stelle überhaupt benannt wird, dass es dieser Ozean ist und dass ich natürlich auf der visuellen Ebene aber dieses ozeanhafte oder so schon habe und dadurch noch mal auch andere Assoziationen geworfen werden. Oder in dem letzten Teil, wo man dann auch so den Blick von diesem galaktischen Phänomen hin zur gesellschaftlich relevanten Herausforderung, Problemstellungen über das Video sich transportieren. Das wird gar nicht im Text gesagt, aber auf der Bildebene habe ich plötzlich so den Bezug zu den weltlichen Problemen. 00:16:20:10 - 00:17:02:04 Elise Schobeß Ich habe das so wahrgenommen, dass jetzt gerade das Video, also in dem ersten und zweiten Teil sehr eng, wirklich mit der fast wie Notation verbunden war. Also, dass das Video erwachsen ist oder andersherum, dass aus diesen Filamenten, Visualisierung der Filamente die Notenschrift erwachsen ist. Also ich habe mal irgendwann ein Foto gesehen, was den Prozess dargestellt hat. Und da habe ich mich gefragt, wie viel Freiheit man als Regisseur in deinem Fall hat, auch zu sagen: Nee, ich finde das grundsätzlich nicht interessant, ich würde gerne was ganz anderes machen als Video. Wäre so was möglich gewesen oder stellte sich die Frage gar nicht, weil das so eng zur Idee dazugehört hat, dass das ganz organisch war, dass es genau das ist, dieses Video? 00:17:02:18 - 00:18:18:19 Ron Zimmering Ich habe das schon empfunden, dass das sich organisch ergeben hat. Also von: Was ist die Grundidee, was ist die musikalische Idee, was könnte ein Motiv sein? Und da hat man zum Beispiel gesagt: Okay, im zweiten Teil brauchen wir den Ozean, wir arbeiten mit einem Ozeanforscher zusammen mit solchen Simulationen. Und wir zeigen sozusagen unterschiedliche Erregungszustände eines Ozeans. Und wie das dann am Ende aussieht, war natürlich noch unklar. Aber man hatte sich sozusagen über das Motiv verständigt. Und dann wurde das halt immer weiter ausdifferenziert. Dann ging es darum, welche Farbgebung passt dazu. Ist das eher was Romantisches, Warmes oder muss das nicht eher giftig und grün sein? Und das war natürlich das Hilfreiche bei Georg, dass er dann irgendwann eine Art MIDI-Datei hatte, dass man halt irgendeine Art Anhaltspunkt hat, wo dann auch die Videokünstlerin gucken kann, wie strukturiert sie die Bildwelt und wie rhythmisiert sie das Ganze, damit das natürlich am Ende nicht wie ein Bildschirmschoner aussieht, sondern irgendwie ein Bezug zur Musik hat. Genau. Und beim dritten Video hatten wir eben zuerst gesetzt auf Quallen und hatten uns auf Motive geeinigt und haben dann gemerkt, dass in vor allem auch dem Gesamtabend das eigentlich nicht mehr richtig ist und wir andere Assoziationen brauchen und haben dann das eigentlich fast noch mal neu überarbeitet. 00:18:19:08 - 00:18:35:19 Elise Schobeß So wie du es beschreibst, ist es ja wirklich eine sehr prozessorientierte und im-Wechselspiel-sich-findende Zusammenarbeit gewesen. Kann man das im Nachhinein eigentlich noch auseinander deklinieren? Also kann man sagen: Das ist jetzt aber meine Regie-Idee gewesen und das war eindeutig die Idee des Komponisten. 00:18:36:18 - 00:18:59:06 Ron Zimmering Gut, bei Georg gibt es schon klare Elemente. Die musikalische Idee geht ganz klar aus ihm hervor. Diese textliche Sache war ganz klar von mir. Aber nee, man kann es eigentlich dann nicht mehr trennen. Gerade bei James, da ging das so Hand in Hand, dass ich am Ende gar nicht mehr weiß, wessen Idee das eigentlich war, weil es genau immer wieder hin und her geht. Ja. 00:18:59:13 - 00:19:22:06 Elise Schobeß In dem Projekt waren natürlich auch die Multimedia-Technologien wirklich auf allen Ebenen sehr präsent, also eben nicht nur das Video. Jetzt haben wir ja sehr viel über das Video gesprochen, wofür extra Programm geschrieben wurde. Aber auch bis hin eben zu dem digitalen Notensystem. War das denn ein Thema, dass es einen Wissensvorsprung der Multimedia-KomponistInnen in Bezug auf die Technologien gab? 00:19:24:02 - 00:20:25:14 Ron Zimmering Na, ich würde sagen, also erst mal überhaupt zu begreifen: Was machen die überhaupt? Wie arbeiten die überhaupt? Wie denken die überhaupt? Worauf legen die ihren Fokus? Bis hin zu: Was heißt das überhaupt, 150 einzeln ansteuerbare Lautsprecher? Oder was heißt denn das jetzt hier Chamber-Effekt oder Hall oder Kathedrale? Das war, glaube ich, für viele... Natürlich, man musste das erst mal wirklich erleben, um das überhaupt wie zu erfassen. Und ich glaube, gerade auch die Komplexität dieser Steuerung dieser Videos zum Beispiel habe ich persönlich auch total unterschätzt, wie kompliziert das ist. Und als dann unser technischer Leiter für Video an Corona erkrankt ist und plötzlich nicht mehr da war und plötzlich klar war, dass eigentlich nichts mehr zu verändern ist, weil alles so kompliziert ist, dass es eigentlich niemand mehr steuern kann, das war für mich irgendwie auch so eine Überraschung. Zumindest, ich dachte: Ach, krass, es ist toll, dass man diese Möglichkeiten hat, aber es verkompliziert natürlich auch unendlich. Also es macht das Ganze viel komplexer und komplizierter. 00:20:26:15 - 00:20:38:07 Elise Schobeß Ja, ich habe mir dann auch manchmal die ketzerische Frage gestellt, ob man sich als Theaterschaffenden, eigentlich als Diener oder als Beherrscher der Technik wahrnimmt in dem Projekt. 00:20:38:24 - 00:21:54:03 Ron Zimmering Na ja, ich habe das Gefühl, dass man natürlich auch am Anfang ist. Ich habe es Gefühl, sowohl die Multimedia-KomponistInnen als auch die RegisseurInnen mussten ja erst mal diese Technologie überhaupt erfassen. Was heißt das, 60 m² Video-Wall in einzelnen Panels in den Raum zu hängen und die gegeneinander zu verfahren, die zu steuern. Das war, glaube ich, auf allen Ebenen Neuland. Was bedeutet das, mit dem Bohlen-Pierce-Ensemble, mit dem Pierce-Chor, der Kopfhörer hat und so weiter, das zu machen. Was bedeutet das, ohne Dirigent in einen szenischen Prozess zu gehen? Zum Beispiel war mir auch nicht so ganz klar bei Multimedia-KomponistInnen wie sehr die überhaupt diese szenischen Prozesse... also was es da an Proben und welche Schritte und auch welche, was da alles sozusagen dazugehört, inwieweit man das sozusagen vorher schon auf dem Zettel hatte. Das war so ein gemeinsamer Lernprozess. Und auch natürlich so ein bisschen so was überhaupt erst mal gucken, ob das überhaupt geht, sage ich mal. Also so auch ein bisschen künstlerische Forschung. Ich glaube, im nächsten Schritt, wenn man jetzt weiß, wie geht das und wo liegen auch die Schwierigkeiten, kann man das, glaube ich, viel mehr vielleicht auch noch inhaltlicher einsetzen und noch mehr beherrschen. Jetzt war es wirklich auch so ein bisschen die Challenge: Wie kommt man überhaupt mit der Technik klar? Und ich könnte mir vorstellen, dass jetzt in weiteren Projekten man da noch mal auf ein ganz anderes Level kommt. 00:21:54:03 - 00:22:26:07 Musik [Performance: Digitale Instrumentalmusik in BP-Skala] 00:22:26:07 - 00:22:45:00 Elise Schobeß Gab es denn die Challenge auch andersherum aus deiner Wahrnehmung? Also für die Multimedia-KomponistInnen die Frage: Wie komme ich mit dem Theater klar? Also: Wie komme ich damit klar, dass hier plötzlich noch was szenisches passiert oder meine Multimedia-Komposition jetzt kein Konzert ist, sondern ein Theater, wo plötzlich neue Elemente dazukommen? Also gab es diese Challenge auch andersherum? 00:22:45:10 - 00:24:16:04 Ron Zimmering Absolut. Also ich würde sagen, es ist schon so, dass so zwei diametral entgegengesetzte Perspektiven aufeinandertreffen und man sich erst mal gegenseitig verständigen muss: Was versteht man denn überhaupt unter Theater? Oder: Was will man eigentlich von dem Theater? Oder: Worauf setzt man seinen Fokus? Und zum Beispiel solche Fragen wie: Wozu muss ich denn ein Jahr vorher oder ein halbes Jahr vorher meine Komposition abgeben? Es reicht doch, wenn ich so zwei Wochen vorher... da kommen doch erst die Musiker dazu, das reicht doch erst zwei Wochen vorher. Aber dass da eben Prozesse in Gang sind, dass eben KostümbildnerInnen, BühnenbildnerInnen, RegisseurInnen sich irgendwie ein Bild machen wollen, um dazu sich ins Verhältnis zu setzen und darauf weiter aufzubauen, das, glaube ich, war von Team zu Team unterschiedlich. Aber es musste irgendwie auch erst so erfasst werden und glaube ich auch dieser Punkt... Ich habe das Gefühl, dass sozusagen überhaupt dieses Verständnis von Theater oder was ich da eigentlich will, auch unterschiedlich ist und dass so bestimmte Fragen die RegisseurInnen beschäftigen. Also zum Beispiel: Was ist die Grundsituation? Warum kommt überhaupt jemand auf die Bühne? Warum spricht die? Was ist ihre Motivation? Wer ist das Publikum? Wen spricht sie an? Wer ist sie? Dass solche Sachen man manchmal gar nicht so auf dem Zettel hatte, sondern eher so wie: Ich habe eine Tänzerin, ich habe die Musik, ich habe doch ein cooles Video. Was nervt ihr mich jetzt mit diesen Fragen? Und für die RegisseurInnen wiederum unklar war: Aber lass uns doch erst mal klären, was ist jetzt sozusagen die Situation oder so. Dass da für beide Seiten ganz unterschiedliche Fragen wichtig waren. 00:24:17:04 - 00:24:37:04 Elise Schobeß Weil du jetzt auch so diesen Prozess, den Probenprozess da ansprichst, würde mich interessieren, wie das ganz konkret aussah, also jetzt in deinen beiden Projekten. Wie oft warst du allein? Was hast du allein geprobt? Wie oft war der Komponist mit dabei? Hat das zu Konflikten geführt, dass du allein warst oder dass der Komponist mit dabei war? Also wie sah da die Zusammenarbeit ganz konkret aus? 00:24:38:09 - 00:26:49:20 Ron Zimmering Es gab im Vorhinein viele Treffen, wo ich mich mit dem Komponisten getroffen habe, also mit Georg und mit James per Zoom, wo man sich verständigt hat, wo man konzipiert hat, wo man das Ganze geplant hat. Dann gab es Phasen, wo ich nur mit der Schauspielerin alleine gearbeitet habe und überhaupt erst mal versucht habe, so die Ideen zu vermitteln und Sachen auszuprobieren. Und dann kam eigentlich erst in den Endproben, als wir wirklich auf der Bühne waren, Regie und Komposition zusammen. Konfliktpotenzial ist zu groß. Aber man musste sich natürlich verständigen. Worum geht es jetzt gerade? Geht es jetzt gerade darum, in dieser Probe ein klanglichen Erlebnis zu testen? Oder geht es darum, überhaupt erst mal technische Vorgänge zu organisieren? Wann fahren die Panels, wann tritt wer wann von welcher Seite auf und spricht irgendwie Text? Wann geht es darum, irgendwie szenische Qualität zu überprüfen oder so? Und natürlich der Impuls, man will alles gleichzeitig machen. Und das führt dann eher zu Konflikten, dass man denkt: Moment, stop, das ist jetzt eine Überforderung, jetzt lass uns mal gucken: Ist es jetzt eine technische Probe, ist es eine musikalische Probe, ist es eine szenische Probe? Und natürlich waren dann auch die Fragen. Natürlich standen manchmal auch die Interessen gegeneinander, dass man zum Beispiel sagt: Hey, für den Klang wäre es total toll, dass es wie so eine Kathedrale klingt und so wunderbar heilig und heilig, und ich habe aber das Gefühl, dass die Schauspielerin, dass die Verständlichkeit enorm darunter leidet und ich überhaupt nicht mehr den Inhalt verstehe. Und für mich, dass gerade aus dieser Regie-Perspektive natürlich total wichtig ist, überhaupt zu begreifen: Was wird da verhandelt? Worum geht es überhaupt? Was wird da gesagt? Oder dass zum Beispiel im Fall von Georg... er hat diese Stimmen noch mal zusätzlich rein gegeben. Und das ist natürlich - wenn du als Schauspielerin auf der Bühne stehst und hörst dich noch mal aus 150 Lautsprechern deine eigene Stimme zeitgleich auf dich einsprechen - ist das natürlich eine extreme Herausforderung, dann in Gedanken noch drin zu bleiben. Und das ist natürlich aus der Perspektive des Multimedia-Komponisten... der sagt: Ist doch geil, ich schiebe jetzt noch mal das rein und das rein und das rein und das rein. Und da vorne ist aber ein Mensch, der irgendwie ja auch damit irgendwie klarkommen muss. Das musste man natürlich dann erst mal checken. So. 00:26:50:09 - 00:27:40:23 Elise Schobeß Das ist ja ein interessanter Punkt, dass gerade also bei Schauspiel-Regie die einfachste Situation ja leerer Raum ist und eine Person steht auf der Bühne. Also so total minimalistisch. Bei Musiktheater ist das noch ein bisschen anders, weil man ja immer noch die musikalische Ebene und Orchester oder MusikerInnen mit dabei hat. Aber jetzt mal von diesem einfachsten Setting von Schauspiel-Regie aus gesprochen; da gab es ja schon einen sehr großen Weg, sage ich mal, bis zu diesen Multimedia-Technologien, die erst mal auch aus meiner Wahrnehmung etwas sehr Monumentales haben. Also diese Video-Wall, die ist mächtig, diese Akustikanlage ist mächtig in ihrer Wirkung. Wie hat sich das verbunden? Oder war das schwierig? Wie musstet ihr da suchen, um also die kleinste Zelle des Schauspiels eben mit diesen mächtigen Technologien auch zu verbinden? 00:27:41:16 - 00:28:59:13 Ron Zimmering Es war ja sozusagen eigentlich der Ausgangspunkt unserer Gesamtkonzeption, dass wir gesagt haben: Wir müssen dieser technischen Allmacht auch so ganz Basic-Elemente entgegensetzen. Und so entstand diese Idee, dass es eine Schauspielerin gibt, die durch diesen Abend führt und die vielleicht sogar am Anfang auf einer leeren Bühne auftritt. Man startet sozusagen mit diesem ganz puren Moment, wo dann so nach und nach diese ganze Technik reinfährt. Und am Ende landet man auch wieder da. Und es hat sich, glaube ich, auch ein im Probenprozess gezeigt, dass es - ich nenne es jetzt mal so - als Gegengewicht total wichtig ist, da einen echten Menschen zu haben, der irgendwie einen - ich sag's mal so - bisschen auch an die Hand nimmt, der eine Verbindung zum Publikum aufbaut, damit es sozusagen nicht nur ein Maschinenballett ist, was sozusagen auf Wirkungsmechanik setzt, sondern wir natürlich als Menschen ja auch darüber funktionieren, was ist die Geschichte, also Geschichtenerzählen. Und ist das sozusagen eine urmenschliche Fähigkeit oder Phänomen, dass wir uns Geschichten erzählen und darüber Sinn definieren, Sinnstiftung erfahren. Und ich glaube, ohne das wird es dann irgendwann nur so eine Art, ja, maschinenballettartige Selbstläuferei. 00:28:59:13 - 00:29:35:01 Elise Schobeß Also ja. Habe ich auch so empfunden, dass es eine sehr wichtige Entscheidung auch für mehrere Beiträge war, ja da doch irgendwie diesen echten Menschen zu haben. Also diesen Anker des Theatralen halt, woran man sich festhalten kann. Und doch gibt es ja viele Beiträge, die auch mit Tanz gearbeitet haben. In deinen Beiträgen habt ihr wirklich mit der Schauspielerin gearbeitet und auch mit sehr viel Text. War das Sprechen von Text auch in Bezug auf Musik, auf Technik und so weiter... Also wie hat sich das miteinander verbunden? Habt ihr da gesucht? Inwiefern hat sich das halt unterschieden auch von anderen Projekten? 00:29:35:01 - 00:30:20:12 Ron Zimmering Ja. Es war die Idee... Oder das entstand so ein bisschen aus diesem Text, dass wir gemerkt haben, der Beitrag von Georg würde sich eignen, um so eine Klammer, um sozusagen so eine Art Prolog, Epilog, also einen Einstieg in den Abend, einen Ausstieg in den Abend, eine Art Fazit des Abends zu ziehen, weil er so eine Art Grundfrage aufwirft: Warum gehen wir da ins All? Was suchen wir da eigentlich? Suchen wir einen anderen oder suchen wir eigentlich nur uns selbst? Und wozu sind wir überhaupt in der Lage? Also was sind wir in der Lage zu erfassen und wo liegen unsere Grenzen? Und das hat sich sozusagen als so eine Klammer angeboten. Und von daher war auch so ein bisschen die Idee: Okay, gut, wir setzen in diesem Beitrag stark auf Text, um wie den inhaltlichen Rahmen zu stecken, und dadrin ist dann wieder sehr viel Raum auch für sehr abstrakte Beiträge, weil ich aber erst mal sozusagen verortet bin in dem Ganzen. 00:30:21:12 - 00:30:25:16 Elise Schobeß Also die Frage ist auch, wie das ganz konkret mit dem Text zusammen ging. 00:30:25:16 - 00:30:26:07 Ron Zimmering Ah ja. 00:30:26:07 - 00:32:48:02 Elise Schobeß Also die Schauspielerin, die Text spricht. Also jetzt mal wieder ganz basal, technisch gesprochen, schauspieltechnisch gesprochen. Die Schauspielerin, die auf der Bühne steht und Text spricht. Und dahinter sind Videopanels, die sich bewegen, darunter liegt Musik, die teilweise live kommt, dann gibt es natürlich auch immer noch die Elektronik dazu. Also es gab sehr viele Mittel, sage ich mal. Sehr viele Theatermittel haben sich da verbunden simultan. Genau. Also wie war da der Umgang auch mit Sprache, mit Text, mit dem Sprechen als Vorgang? So im Vergleich vielleicht auch zu der Arbeit als Regisseur, die man am Theater hat, wenn man einfach mit SchauspielerInnen arbeitet. Ja, was ich spannend fand, war der der Moment zu erkennen. Wir hatten einmal überlegt, ob man den Text auch radikal kürzen könnte. Und dann haben wir gemerkt, der Text ist auch Instrument. Also er ist nicht nur Sinnstiftung oder irgendwie Erklärtext, sondern er ist auch ein musikalisches Element. Georg hat es so beschrieben wie es ist, wenn man die Solostimme rausnimmt und du hast plötzlich nur noch die Begleitungen. Das war für mich eine interessante Erfahrung, ja, dass es im Prinzip auch ein wesentliches Instrument ist, was total hilfreich war. Oder dass es - merke ich auch als Regisseur - natürlich irgendwie wichtig, dass es irgendeine Art von Simulation gibt. Und dadurch, dass es diese MIDI-Dateien gab, konnte man relativ gut das vorher sich vorstellen, wie das ist und konnte das auch üben, sich gegen die Musik abzusetzen oder draufzusetzen oder entgegenzusetzen. Das hätte ich mir nicht vorstellen können. Ich hatte das Gefühl, da gab es auch Beiträge, da haben die RegisseurInnen viel mehr im Dunkeln getappt, wie es am Ende eigentlich klingen wird. Und bei uns konnte man das eigentlich ganz gut so simulieren. Und dann natürlich spielt plötzlich ganz viel auch "wie ist das Verhältnis von Lautstärke und wie klingt das" eine größere Rolle als beim Schauspiel. Beim Schauspiel hat der Schauspieler wie mehr Kontrolle über seine Gestaltungsmittel, über sein Wirken. Und hier war Johanna natürlich auch sehr abhängig von: Wie ist es überhaupt gepegelt und wie ist ihre Stimme eingestellt? Klingt das wie im Radio? Oder es klingt wie in einem riesen Stadion. Und wie geht sie damit um? Das hat natürlich eine viel größere Rolle gespielt. 00:32:49:13 - 00:33:08:19 Elise Schobeß Das Projekt hat jetzt ja die ganzen Technologien bespielt, hat ein großes Spektrum aufgemacht, was alles möglich ist an Multimedia-Technologien. Wenn du da jetzt drauf zurückblickst, gibt es etwas, was dich daran noch weitergehend interessieren würde, also was du gerne in einem potenziellen nächsten Projekt fortführen würdest, was dich reizt? 00:33:10:05 - 00:33:30:01 Ron Zimmering Mich würde interessieren, jetzt wo ich, oder wo wir auch, sage ich mal, Technologien kennengelernt haben, zu gucken, wie man die noch weiter inhaltlich nutzen kann. Also das hatte ich ja vorhin schon versucht zu beschreiben, dass es natürlich auch so ein bisschen... Ich hatte das Gefühl, an allen Fronten versucht man Neuland zu betreten und erst mal überhaupt das Unmögliche möglich zu machen. 00:33:30:09 - 00:34:31:14 Ron Zimmering Und jetzt, wo man eine klarere Vorstellung davon hat "was kann diese Video-Wall, wie steuert man sie überhaupt", kommt man zu dem Punkt, auch zu überlegen: Okay, wie kann man die auch noch inhaltlicher einsetzen? Oder wie kann man aus diesen 150 einzelnen anspielbaren Lautsprechern sozusagen nicht nur so eine wirkungsmechanische Erfahrung schaffen, sondern wie kann man daraus auch wirklich eine inhaltliche, theatrale Idee entwickeln? Wo liegt die Chance? Auch darin, dass man plötzlich keine Dirigenten hat? Was könnte man damit...? Wo liegt der Mehrwert eigentlich? Das wäre ja natürlich spannend, da weiterzugehen. Und ich merke, wenn ich so drüber nachdenke, dass es natürlich auch damit zusammenhängt, dass an den jeweiligen Menschen, mit dem man zusammengearbeitet hat, dass, wenn man sozusagen deren Ideen und Vorgehensweisen und so weiter kennt, man jetzt in der weiteren Zusammenarbeit natürlich woanders anknüpfen könnte, weil man irgendwie schon vielleicht eine Sprache gefunden hat oder so ein bisschen weiß, wonach die anderen suchen. 00:34:32:17 - 00:35:32:17 Elise Schobeß Das war auch so ein Feedback, was ich da oft gehört habe nach den Aufführungen. Und was ich auch selber so empfinde, dass das gerade noch eine sehr große Spielwiese ist, das Ganze also, wo noch alles in den Kinderschuhen steckt, sehr viel Potenzial drin schlummert vielleicht und es wirklich spannend ist. Und auch ich bin natürlich gespannt, wie sich das Verhältnis da von Theater und Multimedia weiter entwickelt. Also eine Frage ist natürlich auch, inwieweit das institutionell einsickern wird. Also eine Frage, die ich mir stelle, weil das natürlich einerseits eine Frage der Kosten ist, also inwieweit das eine Chance hat, an die Häuser, an die Spielstätten, ob frei oder Institutionen einzusickern. Und auf der anderen Seite stellt sich natürlich die Frage, ob das nicht einfach eine ja mediengesellschaftliche Notwendigkeit ist, dass diese ganzen Technologien bespielt werden müssen, weil das unseren Sehgewohnheiten entspricht. Ich danke dir, Ron, für den Einblick, den wir jetzt hier bekommen konnten, in die Herausforderungen, aber auch natürlich die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit von Regie und Multimedia-Komposition. Vielen Dank. 00:35:33:03 - 00:35:33:10 Ron Zimmering Vielen Dank. 00:35:33:10 - 00:35:44:10 Musik [Musik] 00:35:44:10 - 00:36:16:04 Elise Schobeß Das war die sechste Folge von "Postskriptum" mit Ron Zimmering zur Zusammenarbeit von Regie und Multimedia-Komposition im Schwerpunkt Musiktheater. Ich möchte an dieser Stelle noch mal auf "Accessing Theater" verweisen, wo ihr noch mehr Input zu berufspraktischen Fragen von BühnenbildnerInnen, DramaturgInnen und weiteren Theaterschaffenden bekommt. Den Link zur Website, den findet ihr in den Shownotes. Schaut hier immer wieder gern vorbei, denn von Semester zu Semester kommen natürlich immer mehr Inhalte dazu. Vielleicht auch schon bald das nächste Postskriptum. Tschüss und bis zum nächsten Mal. 00:36:16:04 - 00:36:42:03 Musik [Musik]