00:00:00:00 - 00:00:11:22 Musik [Musik. Verzerrte Stimme: Kulturmanagement innovativ] 00:00:11:22 - 00:00:15:13 Eva Hüster Herzlich willkommen zu unserem Podcast "Kulturmanagement Innovativ... 00:00:15:13 - 00:00:16:17 Eva Hüster & Joyce Diedrich ...Kontakt". 00:00:16:17 - 00:00:26:34 Eva Hüster Ein Projekt der Hamburg Open Online University von und mit Studentinnen des Instituts für Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. 00:00:26:35 - 00:00:27:12 Joyce Diedrich Mein Name ist Joyce Diedrich. 00:00:27:12 - 00:00:31:01 Eva Hüster Und ich bin Eva Hüster. Und diesmal sprechen wir mit Prof. Dr. Alexander Bretz. 00:00:31:02 - 00:00:45:01 Joyce Diedrich Alexander Bretz hat einen Studienbrief für das KMM verfasst zum Thema Betriebswirtschaftslehre für KulturmanagerInnen. Im Rahmen unseres Projekts Kulturmanagement Innovativ hat er sich schon einmal ausführlich mit dem Innovationsbegriff beschäftigt. Den Link dazu findet ihr in den Shownotes. 00:00:45:02 - 00:01:30:01 Eva Hüster Spannend an dem Gespräch mit Alexander Bretz, was ihr gleich hören werdet, war für mich persönlich, dass er selber so einen Lebenslauf hat, in dem nicht alles vorhersehbar war. Also erst hat er Jura studiert, dann ging es weiter über Volkswirtschaft zu Betriebswirtschaft, auch mit dem Studienbrief, den er fürs Institut verfasst hat, aber eben nie zum Selbstzweck, sondern immer für KünstlerInnen gedacht, für KulturmanagerInnen gedacht in der Lehre. Also es geht immer darum, dieses Wissen, was er selber hat, in die Praxis zu bringen. Zum Beispiel hat er auch den sogenannten Creatives Funding Canvas entwickelt, der sehr hilfreich ist, wenn man für ein Projekt verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten ermitteln möchte. Den kann man übrigens auf seiner Webseite finden, die wir auch in den Shownotes verlinken. 00:01:30:01 - 00:01:38:15 Joyce Diedrich Wir glauben deshalb, dass diese Folge vor allem interessant ist für Studierende und Interessierte am Kulturmanagementstudiengang bzw. an Businessstudiengängen. 00:01:39:00 - 00:01:42:03 Eva Hüster Los geht's! Viel Spaß bei dem folgenden Gespräch. 00:01:42:03 - 00:01:56:14 Joyce Diedrich Vielen Dank, Alexander, dass du bei uns bist. Wir freuen uns, dass wir heute das Gespräch mit dir führen können. Vielleicht einmal zum Hintergrund, woher wir uns schon kennen. Ne? Wir arbeiten mit Alexander Bretz seit ungefähr einem Jahr jetzt zusammen, oder? 00:01:57:03 - 00:02:00:15 Alexander Bretz Gefühlt schon zwanzig Jahre, obwohl ihr so alt ja noch nicht seid. Aber na gut. 00:02:01:08 - 00:02:25:02 Joyce Diedrich Und wir haben zusammen ein Projekt gemacht, nämlich dass wir gemeinsam die Inverted Classrooms entwickelt haben. Wir haben zusammen das Pilotprojekt Inverted Classrooms entwickelt und am KMM gemacht, das jetzt in die dritte Runde geht, mit dir zusammen. Und da freuen wir uns. Magst du einmal erzählen, wie dein Weg vielleicht auch zum KMM war? Was sind Stationen, die du immer gerne erzählst? 00:02:25:02 - 00:04:35:06 Alexander Bretz Oha. Das dauert jetzt länger als 20 Minuten. Nein, keine Sorge. Also ganz kurz gesagt: Ich bin ja eigentlich Anwalt und Jurist von meiner Ausbildung her, habe vorher eine Ausbildung als Kaufmann - das hieß damals auch noch so - gemacht und habe aber immer schon so ein bisschen den Blick in die Ökonomie gehabt. Das war auch so ein Backup während des Studiums, dass ich in Volkswirtschaftslehre alle Veranstaltungen gehabt habe, die ich brauchte. Wenn das mit Jura nicht geklappt hätte, hätte ich also noch diese sehr viel exotischere Form der Wissenschaft einschlagen können. Und ich bin dann zu einem Kongress eingeladen worden, das heißt genau genommen war es eine Enquetekommission, die gefragt haben, was ich von Public Private Partnerships halte. Und da habe ich gesagt, da halte ich gar nichts von. Und Friedrich Loock, der langjährige Leiter des KMM sagte, er fände das ganz toll. Und abgesehen davon, dass wir also 180 Grad entschieden entgegengesetzte Positionen vertreten haben, mochten wir uns persönlich sehr stark und haben uns dann... das war damals in Düsseldorf, und da hat er mich dann am Ende des Gesprächs gefragt, ob ich denn nicht am KMM promovieren wolle. Und das wäre aber nicht so eine langweilige Jura-Promotion, die könne ja jeder, sondern es wäre ein bisschen was Anspruchsvolleres. Und er kannte mich, glaube ich, noch nicht gut genug, aber er ist ein guter Menschenkenner und hat dann auf die Weise mich sofort an der Angel gehabt. Das war fast so wie programmiert dann. Und ja, und dann habe ich halt am KMM promoviert. Und die Auflage war aber, dass ich nebenher auch schon ein bisschen lehren musste und sollte - was heißt "musste", ich es habe ich gern gemacht. Und ja, so bin ich dann halt ans KMM gekommen, als Nicht-Alumnus sozusagen. Und das hat sich dann über die Jahre so weiterentwickelt. Und dann habe ich ja vor zwei Jahren, inzwischen vor zwei Jahren auch meine Promotion dann doch noch erfolgreich abgeschlossen. Und ja, es war dann eben auch, obwohl ich Jurist bin, wie gesagt, eine makroökonomische Promotion zum Dr. phil. lustigerweise. Normalerweise würde man also Dr. oek. eigentlich erwarten dabei. Also wieder mal so querbeet. Und ja, das passt ja dann auch zur Kultur, finde ich. Und das passt auch zum KMM, finde ich dieses Querbeet-Gehen. Was ich immer sehr geschätzt habe auch. 00:04:35:23 - 00:04:38:12 Eva Hüster Wie lange hat deine Promotion insgesamt gedauert? 00:04:38:15 - 00:05:27:16 Alexander Bretz Na, da möchte ich jetzt nicht drüber reden. Nein, die hat tatsächlich neun Jahre gedauert. Ich habe es noch mal abgestellt. Also wie viele Dinge, die ich gerne mache, die ich dann immer sozusagen auf den letzten Drücker fertigmache, bevor es zehn Jahre werden. Und das hing aber damit zusammen, was ich neben dem Beruf gemacht habe. Und ich war zwar formal von meiner Hochschule dafür auch teilweise freigestellt, aber die Freistellung bestand darin, dass permanent Leute bei mir im Büro standen. Ich habe da nämlich noch so einen Hochschulstandort hier in Berlin geleitet. Also von der kleinen privaten Hochschule, die an drei Standorten in Deutschland war. Und da war an Ruhe, nicht zu denken und dann habe ich am Wochenende auch ehrlich gesagt lieber anderes gemacht, als an meiner Promotion zu arbeiten. Und deswegen hat sich das neun Jahre hingezogen, ganz einfach. Im Nachhinein total blöd hätte ich auch in - sag mal wirklich - einem Jahr hätte ich es schon schaffen können mit genügend Mut und Chuzpe. Aber das hat man halt in der Phase nicht. Kennt ihr auch von Prüfungen. Ne? 00:05:28:20 - 00:05:36:02 Eva Hüster Genau. Aber jetzt geht ja der Weg noch weiter. Möchtest du denn kurz erzählen, was über das KMM hinaus im letzten Jahr für dich noch passiert ist? 00:05:36:06 - 00:07:19:15 Alexander Bretz Ja, ich bin nach einer längeren Zeit... Also zu Professuren wird man immer eingeladen, sich zu bewerben und dann laufen da so Bewerbungsverfahren. Und am Ende des Bewerbungsverfahrens kommt dann der sogenannte Ruf. Und ich bin also jetzt nach wiederum sehr langer Zeit, nämlich fast drei Jahren, war der Berufungsprozess dann zu Ende und ich habe den Ruf bekommen, an die BSP Business & Law School in Berlin und zwar auf eine Professur für Creative Business Management. Das ist ein Masterstudiengang; oder werden Masterstudiengänge in dieser Richtung werden. Und den baue ich jetzt mit auf, der wird jetzt im Oktober 2022 hoffentlich das erste Mal starten. Und ja, das wird glaube ich ganz interessant werden, denn wir haben uns zum Vorbild genommen: die Nomads in Amsterdam und die Kaospiloten in Aarhus und auch ein bisschen die CODE University in Berlin. Aber das Ganze eben im Kulturbereich. Das heißt mit anderen Worten, die Bachelorleute, die haben eigentlich ja schon die Fähigkeit auch ein Schiff zu führen im beruflichen Bereich, metaphorisch ausgedrückt, die sind dann auf der Brücke und wir Dozentinnen und Dozenten stehen nebendran als Piloten oder - wie sagt man? - als Lotsen sagt man auf Deutsch, ja genau. Und versuchen dann eben so ein bisschen die Theorie damit ins Spiel zu bringen. Aber eigentlich sind die Dirigent:innen des Ganzen wirklich die Studierenden. Und da freue ich mich schon sehr drauf. Ich habe jetzt mit unserer ersten Studierenden schon gesprochen und die ist schon ganz begeistert und ich bin auch ganz begeistert und ich mich schon wahnsinnig drauf freue. Und deswegen haben wir sozusagen viral auch den Begriff der Kreativ-Kapitäninnen und der Kreativ-Kapitäne geprägt. Und wenn ihr darunter ins Netz geht jeweils mit ".de", dann kommt ihr auch auf die Landingpage von unserem Masterstudiengang. So, da freue ich mich einfach immer. 00:07:21:08 - 00:07:26:01 Joyce Diedrich Warum unterrichtest du? Wie bist du zum Unterrichten gekommen, außer, dass es Teil deiner Promotion war? 00:07:26:10 - 00:08:49:08 Alexander Bretz Ja, ich bin dadurch dazu gekommen, dass ich nach dem Abitur mir vorgenommen habe, nie selber Lehrer zu werden oder irgendwas in der Richtung zu machen. Und dann ging es aber während meiner Lehre schon los, dass die Ausbildungsleiterin, die ganz toll war - übrigens ganz tolle Erfahrung habe ich immer mit Chefinnen gemacht in meinem Leben, und das erste war gleich eine Chefin - und die hat gesagt: Ach, wissen Sie, Herr Bretz, Sie können doch mal hier ein bisschen Unterricht machen. Und dann war ich schon wenige Monate, nachdem ich dann eben dort war, war ich dann sozusagen meinem Vorsatz untreu geworden. Es machte mir tatsächlich Spaß. Es hängt auch damit zusammen, dass ich so viel und so schnell immer rede und da wirklich Leute habe, die mir zuhören müssen. Und sonst gehen viele Leute weg. Und so müssen sie das machen und müssen das ertragen oder zumindest so tun. Und das finde ich super. Nein, also ich unterrichte sehr gerne, weil ich einfach das ganz toll finde, um mal ernsthaft drauf zu antworten, wenn man so miterleben kann, gerade an der Hochschule, in diesen formativen Jahren von jungen Leuten, wie sie sich innerhalb von wenigen Jahren unglaublich, geradezu explosionsartig, entwickeln. Und da sind so tolle Leute schon rausgekommen. Und das ist eigentlich die Belohnung fürs Lehren. Dass man da auch nicht ganz schlecht verdient, wie ich nun mal an der Stelle auch zugeben, das ist eine. Aber dass man dann eben wirklich so - ja Blüte ist noch gar kein Ausdruck, es sind wirklich - Explosionen manchmal miterlebt, natürlich auch nicht bei allen, aber bei manchen. Und da sind dann einige wenige dabei, die dann eben auch besonders viel Freude machen einem Dozenten. Und das ist dann der Ausgleich und die Belohnung für alles. 00:08:50:03 - 00:09:01:10 Joyce Diedrich Unser Podcast handelt ja auch - also was heißt auch? - Er heißt "Kulturmanagement innovativ, Kontakt". Und wir beschäftigen uns also mit den Themen Innovation und Kulturmanagement. Siehst du dich als Kulturmanager? 00:09:02:21 - 00:09:47:06 Alexander Bretz Ich sehe mich als juristischer Unternehmensberater für Kulturbranchen. In einigen habe ich selber ganz gute Erfahrungen gemacht. Ich komme ursprünglich aus dem Zeitungsbereich. Ich habe lange im Musikbusiness was gemacht, also im Popmusik-Business könnte man so sagen. Ich habe mich sehr intensiv mit der Modebranche auseinandergesetzt, mit der Designbranche. Ich bin in Halle an der Burg Giebichenstein ja Honorarprofessor für Design, Recht und Existenzgründung und habe dort sehr viel mit Designerinnen und Designern zu tun. Es macht mir einfach wahnsinnigen Spaß. Aber in dem Sinne sehe ich mich auch als Teil des kulturellen Bereichs, wobei ich den Kulturbereich auch sehr weit definiere, aber da können wir vielleicht dann gleich noch mal vertiefend darauf zu sprechen kommen, wenn es um das Thema Kultur und Innovation dann auch geht. 00:09:48:09 - 00:10:06:02 Eva Hüster Also wie Joyce eben schon gesagt hat, heißt unser Podcast ja "Kulturmanagement innovativ Kontakt." Also geht es auch um Innovationen neben dem Kulturmanagement. Und da wäre unsere Einstiegsfrage, was Innovation für dich bedeutet und ob du glaubst, dass sie im Kulturbereich wichtig ist. 00:10:07:11 - 00:10:08:07 Alexander Bretz Ja, das sind zwei Fragen. 00:10:08:07 - 00:10:09:03 Eva Hüster Das sind zwei Fragen. 00:10:09:03 - 00:11:32:17 Alexander Bretz Fangen wir mit der ersten Frage an. Innovation. Da habe ich ja schon einen ganzen Film auch gemacht fürs KMM und auch auf Deutsch und auf Englisch. Hat auch sehr viel Spaß gemacht. Liebe Grüße an die, die da mitgewirkt haben. Und da haben wir uns genau mit diesem Thema beschäftigt. Und ich habe dabei auch Bezug genommen auf einen französischen Juristen, Kriminologen und Soziologen, Gabriel Tarde, und der hat Innovation als eine Art von Wiederholung - so lustig das jetzt klingen mag - definiert, und zwar als Wiederholungshandlung, die automatisch aber eine Veränderung mit sich bringen. Entweder intendiert, dann sind das sogar Erfindungen, oder aber es sind eben Wiederholungen, die sich sogar 100 % Prozent an das Vorbild halten, aber durch die Änderung der Umstände eben eine Änderung hervorrufen. Und die werden gewissermaßen gesellschaftlich zur Diskussion gestellt - jetzt nicht immer einer Talkshow oder so, sondern natürlich einfach so. Man macht das, man übernimmt das oder man sieht, der oder die macht das so und so mache ich auch so oder so. Das kann also auch auf der Ebene sein, aber natürlich auch bewusst im Diskurs kann das stattfinden, also alle Formen. Und dadurch kommt es zu Veränderungen. Und diese Veränderungen, die sozusagen gesellschaftlich akzeptierten Veränderungen, sind Innovation. Das ist ein sehr weiter Innovationsbegriff. Wir haben uns ja leider im Westen und in Deutschland, insbesondere - das ist unsere, wie meine französischen Freunde immer sagen "la malaise allemande". Diese Vorliebe für technoide Technologien, sagen wir mal ganz deutlich auch. 00:11:32:17 - 00:12:50:13 Alexander Bretz Wir haben uns angewöhnt, Innovationen als neue Produkte, neue Verfahren aufzufassen, neue Autos, im Zweifelsfall in Deutschland immer. Und das ist natürlich ganz großer Mist, weil wenn ich Innovationen so eng auffasse und mich dabei dann auch noch auf Schumpeter oder so jemanden berufe: dann kann ich eigentlich Innovation im Kulturbereich nur dann unterbringen, wenn die Kultur es schafft, sich sozusagen auf diesen ökonomistischen Weg auch zu begeben. Das heißt also, dann kann ich sagen: Ach, die Wiederaufführung von irgendeinem Konzert aus irgendwelchen Partituren oder so, das ist ja keine Innovation, es ist ja kein neues Produkt in dem Sinne, es ist erst dann ein Produkt, wenn ich davon eine Schallplatte mache oder was, womit ich Geld verdienen kann. Das ist natürlich großer Quatsch und großer Käse, weswegen wir dann bei der Definition von Kultur angekommen sind. Und darunter verstehe ich eigentlich die Gerinnung von menschlicher Kommunikation. Und bei diesen Gerinnungen kann man sich sowohl auf den Prozess beziehen, kann also analysieren: Wie läuft das eigentlich, wie entsteht eigentlich so ein Ergebnis? Oder ich kann mich auf das Ergebnis fokussieren. Und wir haben eben auch ganz typisch für uns in Deutschland eine ganz, ganz starke, viel stärkere Vorliebe für diese Ergebnisbetrachtung. Also wir sehen eben als Design nicht den Prozess des Designs an, sondern wir sehen das Ergebnis an, den Stuhl, der da steht: Ja, das ist ja ein hübscher Stuhl. 00:12:50:13 - 00:14:08:13 Alexander Bretz Das ist aber eigentlich eine Verkitschung des Kulturbegriffs, wenn man es mal ganz drastisch sagt. Oder auch man sagt: Ja, da haben wir eine schöne Aufnahme von einem Musikstück. Auch das ist eigentlich, wie auch schon an dem Wort "schön" zu erkennen, eine Verkitschung. Und wenn ich sowohl Innovation so eng auffasse als auch Kultur so komisch auffasse, nur ergebnisbezogen, dann kann es sogar passieren, dass die überhaupt nicht zusammenkommen. Dann habe ich also eine minimale Schnittmenge, um nicht zu sagen sogar eine leere Menge und dann wird es ganz problematisch. Deswegen empfehle ich ja auch in unserem kleinen Film, Kultur und Innovation möglichst breit und möglichst weit aufzufassen, denn dann wird Innovation zu einem notwendigen Treiber der Kultur. Und dann ist eben jegliche Aufführung eines Musikwerks beispielsweise natürlich auch innovativ, weil es eine Veränderung ist. Und wenn dann da der Beifall anschließend rauschend ist, die Kritiker:innenschaft "Juhu!" schreit, dann haben wir diese gesellschaftlich akzeptierte Innovation nach Gabriel Tarde und natürlich bringt das die Menschheit voran. Und ich kann nur immer dazu raten der Kultur, sich nicht so sehr auf diese Ökonomen und ökonomistischen Leute zu verlassen - darf ich selber als sagen als Ökonom -, sondern eben wirklich zu sagen: Hey, wir sind überall, wir sind auch schon da, wenn ihr da erst noch angetrottet kommt, ihr Ökonomen, die Kultur ist nämlich immer schon da. 00:14:09:15 - 00:14:52:02 Eva Hüster Das wäre ja eine wünschenswerte Sicht also für alle Kulturschaffenden, wenn man überhaupt sagt, also das sei ja mal vorausgesetzt, dass Innovation überhaupt ein Begriff ist, mit dem man arbeiten will. Aber wenn man mit ihm arbeiten will, womit wir uns ja hier auseinandersetzen, dann ist es auf einmal auf jeden Fall eine sehr erleichternde Definition. Also vielen Dank dafür. Meine Frage wäre, wenn du jetzt deinen neuen Studiengang konzipierst, inwiefern du diese Sicht da unterbringt oder inwiefern du auch da Innovation suchst. Das steckt ja schon drin, wenn du sagst, ihr nennt euch Kreativ-Kapitän:innen. Genau. Aber würdest du das noch mal ausführen? 00:14:53:10 - 00:16:01:22 Alexander Bretz Also ich muss dazu sagen, ich habe den mehr oder weniger vorgefunden. Das ist der Grund. Warum ich mich an die Hochschule beworben habe, war der Studiengang. Das ist jetzt nicht der, dass ich den Studiengang entwickelt habe. Ich habe den jetzt zwar noch mal so ein bisschen auch mit weiterentwickelt, aber ursprünglich war ich einfach begeistert, als ich das Studienprogramm gelesen habe, den Syllabus, und habe gedacht: Na, das ist aber mal wirklich mal ein guter Ansatz. Und zwar deswegen, weil wir ja eben gerade im Kulturmanagement immer die Situation haben, dass wir uns in Deutschland auf diesen engen Begriff fokussieren. Da gibt es eben dann doch diesen Begriff der sogenannten schönen Künste, Musik, bildende Kunst, so was in der Art. Und da wird dann auch viel darüber diskutiert, ob dann beispielsweise - ja, was weiß ich - Performation, also Performancekunst, auch Kunst sein kann. Für viele ist das ja zu modern in Deutschland. Ja? Ich würde mal behaupten, für die Majorität ist es zu modern, weil da auch am Ende ja kein greifbares Ergebnis steht. Ganz klar, dass das nicht gemocht wird. Und wenn wir uns das eben da zugrundeliegenden, dann ist einfach dieser Prozess des Kreativen das Entscheidende. Und dann kann ich eigentlich machen, was ich will. 00:16:01:22 - 00:17:02:01 Alexander Bretz Ich werde nicht so weit gehen und werde nicht schon wieder auf Schumpeter rumhacken. Aber der hat ja mal gesagt: Die eigentlich Kreativen sind nur die Unternehmer. Nicht gegendert, weil für den waren das immer männliche Wesen. Das ist natürlich insofern Quatsch, erstens mal, weil es eben nicht nur die sind. Auch, das will ich denen gar nicht absprechen. Die können auch ausgesprochen kreativ natürlich sein. Aber inzwischen gibt es ja auch Untersuchungen darüber, dass, wenn Frauen tatsächlich sich trauen zu gründen, dann sind sie da meistens viel besser drin als die Jungs. Und das finde ich einfach auch sehr ermutigend, so dass ich mir viele Kreativ-Kapitäninnen ohne Doppelpunkt dann wirklich jetzt auch wünsche, die wir dann auch begleiten können, als Dozentinnen und Dozenten an der Hochschule. Das ist so ein bisschen der Ansatz. Das heißt, wir sind da ganz offen. Es können auch Leute aus dem BWL-Bereich kommen, die sagen: Hey, bevor ich mich dann in irgendeine Versicherung setze und irgendwelche langen Zahlen oder langweiligen Zahlen von rechts nach links schiebe oder wieder zurück, mache ich doch lieber noch mal was Vernünftiges aus meinem Leben und beschäftige mich mit Kreativität. 00:17:02:01 - 00:17:58:20 Alexander Bretz Und sei es nur dafür, dann anschließend in einer Versicherung eben nicht nur Zahlen von rechts nach links zu schieben, sondern sagen zu können: Also meiner Meinung nach haben wir da eine Aussicht da und da hin. Und darum geht es ja. Also diesen geisteswissenschaftlich-künstlerischen Ansatz in die Gesamtwirtschaft hinein zu geben. Und das wird von der Wirtschaft aufgesaugt wie von einem Schwamm. Also ich erlebe es immer wieder in Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern, die sagen: Ja, das sind die Leute, die wir brauchen; wir brauchen nicht diese streng Ausgebildeten für irgendeine spezielle Branche am besten noch, sondern wir brauchen Leute, die den Blick über den Tellerrand machen. Und das hoffe ich, dass wir dann genauso wie natürlich das auch am KMM stattfindet, dann machen können und vielleicht können wir da ja auch eine schöne Kooperation machen. Es KMM ist ja mehr in die klassische Hochkultur ausgerichtet. Wir an der BSP sind eher so ein bisschen in die kommerzielle Kultur oder Kreativszene, Kreativbranchen ausgerichtet. Und ja, vielleicht wird das ja noch mal der Beginn einer wundervollen Freundschaft, um mit Casablanca zu sprechen. 00:17:59:22 - 00:18:42:20 Joyce Diedrich Wir fragen immer gerne nach einem gelungenen Innovationserlebnis. Und wir finden eigentlich, da haben wir eben schon drüber gesprochen, dass es schon ein gemeinsames gibt, was wir drei quasi schon zusammen erlebt haben, nämlich die Etablierung sozusagen von den Inverted Classrooms am KMM. Das bedeutet, dass wir ein neues Lernformat, was wir uns zwar von der Theorie her nicht ausgedacht haben, es gibt es schon an anderen Institutionen, aber wir haben es jetzt eben gemeinsam ans Institut gebracht und es hat sehr viel Anklang gefunden. Und jetzt geht es schon in die dritte Runde, wo Studierende selber mehr gefragt sind und eine andere Form des Lernens ausprobieren können. Gibt es denn noch ein weiteres gelungenes Innovationserlebnis aus deinem Berufsleben, das du gerne mit uns teilen würdest? 00:18:43:03 - 00:19:49:04 Alexander Bretz Na ja, ich habe ja durch meine Studierenden in Halle permanente explosionsartige Trommelfeuer an Innovationen, an innovativen Ideen. Mir ist gerade eingefallen, ich habe jetzt gerade vorhin Innovation so hübsch im Ansatz an Gabriel Tarde definiert. Da sollte ich vielleicht auch ein dazu passendes Beispiel bringen. Und da fällt mir tatsächlich ein Beispiel ein. Und zwar, vielleicht kennen einige von euch, die ihr jetzt zuhört, oder auch ihr beide, Charles und Ray Eames, die amerikanischen DesignerInnen oder das Paar. Ein Ehepaar, was in den 1950ern vor allem in den USA sehr viel also Architektur und Design produziert hat. Und die wurden mal eingeladen vom Staat Indien, einen Vorschlag zu machen, wie man Design als nationale Politik in Indien etablieren könne. Und haben dann eben auf Kosten des Staates Indien eine - ich glaube sogar 3/4-Jahr-lange - Reise durch Indien gemacht. Und haben einen "Design Report in India" geschrieben, der insofern ganz spannend ist, weil er ein einfaches Beispiel bringt, was Innovation für die beiden war. Die haben das an der Lota erklärt. 00:19:49:04 - 00:20:59:00 Alexander Bretz Die Lota ist dieser ganz spezifisch geformte, ja, Topf, könnte man sagen, der in Indien, vor allen Dingen von Frauen, muss man leider sagen, auf dem Kopf zum Transport von Wasser eingesetzt wird. Also man geht an den Brunnen oder man geht an die Quelle, füllt die Lota voll und geht mit der Lota dann irgendwie - was weiß ich - mehrere 100 Kilometer, nein, ist ein bisschen übertrieben, aber einen Kilometer oder zwei Kilometer zurück zum Dorf und hat dann eben dort Wasser vor Ort. Und Charles und Ray Eames haben gesagt damals schon, dass diese Lota einfach über Jahrhunderte hinweg ja immer weiterentwickelt wurde und auch immer noch weiterentwickelt wird, obwohl sie eigentlich schon eine perfekte Form zu haben scheint. Und haben gesagt: Und das ist für sie Design. Und das ist eine tolle Illustration dessen, was Gabriel Tarde gesagt hat, diese Innovationen, die im Prinzip kleinschrittig sind, das, was bei uns in der Wirtschaft passiert, ganz häufig dieses ganz Großschrittige, dass man sagt: Hey, jetzt nimmt man mal ein paar Milliarden in die Hand und entwickelt mal einen Impfstoff gegen so einen Virus oder so. Das ist ja wirklich nur die Ausnahme, das gibt es auch, ganz klar. Aber in der Regel sind Innovationen ja viel kleinschrittiger und viel subtiler, die bei uns vorgehen. Und ich glaube, wir sollten uns daran gewöhnen, immer mehr uns auch damit zu beschäftigen. 00:21:00:01 - 00:21:34:08 Eva Hüster Wir haben dich ja kennengelernt am Institut als Experte für BWL mit dem Studienbrief, der ein Pflichtstudienbrief ist. Tatsächlich würde mich interessieren, weil du jetzt schon... - in deinen Beschreibungen erkennt man den ökonomischen Gedanken oft - wie du das Verhältnis sozusagen sehen würdest, also, wenn ich es richtig verstanden habe in der Frage nach Innovation zum Beispiel sagst du ja, man soll das über den rein ökonomischen, Alles-muss-neu-sein-Gedanken hinaus denken. Aber könntest du da noch mal eine Brücke schlagen? 00:21:34:24 - 00:22:40:08 Alexander Bretz Ja. Also diesen Studienbrief für BWL, das war so ein Beispiel für ganz viele Dinge oder ganz häufige Vorkommnisse in meinem Leben, wo ich gefragt wurde. Man könne sich vorstellen, ich könne das und ich soll das doch bitte mal machen. Ich selber wäre da nicht auf die Idee gekommen, jetzt einen Studienbrief für BWL zu schreiben. Ich hätte vielleicht eine Einführung gerne in die Rechtsökonomik gemacht, Ne?, aber das interessiert dann bloß niemanden. Oder ich habe Bücher geschrieben über Designrecht, die verkaufen sich dann so irgendwie 70 Mal im Jahr. Also sind weit weg von der Bestsellerliste. Und das Besondere daran ist allerdings, dass das ja eben ein Studienbrief ist; das heißt, eben von Anfang an klar war, der soll sich wirklich - wie du ja gerade auch gesagt hast - an alle Studierenden, die das anfangen, wenden. Das heißt, die besondere Herausforderung begann mir immer mehr Spaß zu machen, nämlich dass ich als eigentlich Jurist und Ökonom - im Sinne von diesem deutschen Wort "Volks"Wirtschaft - ja, finde ich immer ganz furchtbar dieses Wort; aber egal wie; also Ökonomik zu Hochdeutsch, also in modernem Deutsch ausgedrückt -, dass ich jetzt mit BWL beschäftigen sollte. Und ich glaube, dass mir das deswegen vielleicht ganz gut gelungen ist. 00:22:40:08 - 00:23:50:15 Alexander Bretz Jedenfalls das eine oder andere Feedback weist in diese Richtung, weil ich als Immigrant da reingekommen bin. Ich habe das von außen gesehen, ich habe mich erst mal fremd gefühlt. Ich habe gedacht: Hä, was ist denn das jetzt? Also was wollen die denn da eigentlich, diese komischen BWLer? Die erzählen da über irgendwelche Dinge, die habe ich in Mikroökonomik schon lange gelöst. Also die sind doch schon lange bekannt, wie die Lösungen dafür aussehen. Und da wird es dann jetzt noch sozusagen noch mal ein bisschen anders gesehen - das will jetzt gar nichts Böses gegen BWL bedeuten - aber es relativiert vieles. Und ich kenne das aus meiner Zeit als Jurist, als ich Jura gelernt habe. Das ist dann immer so, wenn man was lernt, dann wird man auch so ein bisschen millieu-blind und kann diesen Blick von außen nicht mehr so leicht haben. Den muss man sich dann ganz, ganz mühselig wieder aneignen. Das ist so ein bisschen das, was in der italienischen Renaissance, die Sprezzatura hieß. Also man lernt so lange, bis die Abläufe so leicht sind, dass sie wie natürlich daherkommen. In Wirklichkeit sind da lange Jahrzehnte der harten Übung dahinter, bis man so locker leicht daherkommt, dass man denkt: Ja, der oder die konnte das schon immer. Und das ist, glaube ich ein bisschen das, wovon dieser BWL-Studienbrief profitieren konnte, dass ich einfach als Fremdling da reinkam, mich sehr, sehr gewundert habe über manches, was ich in den Büchern vorfand. 00:23:50:15 - 00:24:57:02 Alexander Bretz Und ich habe ja als Jurist auch ein besonderes Verhältnis zu Sprache. Ich bin durch die Schule des Poststrukturalismus gegangen, ich kenne also diese ganzen Geschichten mit Semiotik und diese ganzen Sachen. Mag ich auch sehr, interessiert mich auch sehr. Und ich las Texte, von denen ich gar nicht glauben konnte, dass die verlegt werden heutzutage, weil da so ein Kram drin stand, dass ich einfach deswegen einen ganz dringenden Bedarf hatte, diesen Studienbrief zu schreiben. Vor allem für Kulturmenschen. Meistens sind die Studierenden ja doch überwiegend, die am KMM studieren, doch Leute, die aus kulturellen Studiengängen kommen oder kulturverbundenen, also vielleicht auch Kulturpädagogik oder so was in der Richtung dann noch. Aber meistens sind selber Kulturschaffende ja auch oder dann eben auch Kunsthistorikerin, Kunsthistoriker oder so. Also irgendwas mit Kulturhintergrund ist da meistens eher im Vordergrund. Und denen das dann sozusagen zu erklären, ohne dass die völlig berechtigt übrigens sagen: Sag mal, haben die sie noch alle, diese BWLer?, und einfach eine Notwendigkeit deutlich zu machen für diese BWL, das fand ich eigentlich ziemlich schöne Herausforderung. 00:24:57:21 - 00:26:25:11 Eva Hüster Als ich den Studienbrief durchgearbeitet habe, fand ich genau interessant daran, dass ich das Gefühl hatte: Einerseits lerne ich Inhalte, aber in der Art, wie du ihn verfasst hast, war das eigentlich auch ein Erlebnis von Innovation. Also vielleicht kann man sagen - der ist ja nicht frei zugänglich, weil das Teil unseres erstandenen Studienmaterials ist - aber man kann sagen: der ist ja komplett zum Beispiel in der weiblichen Form geschrieben. Was schon einfach ungewöhnlich ist, aber zu denken gibt. Und allein dafür ist es lesenswert. Ich habe das jedenfalls in keinem anderen Studienbrief gelesen. Nur die weibliche Form. Und trotzdem würde ich die Frage gerne noch mal konkret stellen, so wie wir sie immer am Ende unserer Gespräche stellen, nämlich: Wir sind ja angehende Kulturmanagerinnen, wir werden unseren Beruf in der Vuca-Welt also umgeben von Themen wie Digitalisierung, Identität, Globalisierung in einer sich schnell verändernden, ambigen Welt werden wir unseren Beruf ausüben. Und da wäre unsere Frage an dich jetzt: Was würdest du uns als nächster Generation aus deiner Fachrichtung oder mit allem, was du uns jetzt erzählt hast, von Jura über Ökonomik über Studiengangsleiter von einem sehr spannenden Studiengang gerne mitgeben auf den Weg? Also eine Methode, einen Ratschlag, einen Leitsatz, den du selber hast, den du mit uns teilen willst oder etwas, was du uns unbedingt ersparen willst. Hast du da was für uns? 00:26:26:18 - 00:27:36:04 Alexander Bretz Ich sage es mal auf Englisch: The method is that there is no method. Also was ich euch auf jeden Fall und allen anderen Zuhörer:innen mit auf den Weg geben möchte, ist, dass ihr zwar gerne natürlich immer älter werdende, weiße, alte Männer wie mich fragt, aber bitte nicht alles glaubt, was die so erzählen und salbadern, denn - das hängt gar nicht damit zusammen, dass sie irgendwie merkwürdig drauf wären, vielleicht sind sie hoffentlich ja auch tolerant genug, die Dinge zu relativieren - aber: Sie sind ja... In einer anderen Welt haben sie ihre Erfahrungen gemacht. Und das, was auf euch zukommt, das kann niemand prognostizieren. Das ist so wie die Wettervorhersage. Die ist inzwischen ja schon... drei Tage, sagt man so, drei bis vier Tage ist schon relativ exakt vorhersehbar inzwischen, was eine super Leistung ist, finde ich jedenfalls. Aber wenn man dann irgendwie ja in Wochen, Monate kommt, auch bei der ganzen Wirtschaft oder bei der Entwicklung der Kulturwirtschaft oder so irgendwas oder der Kreativwirtschaft - das kann niemand seriös vorhersagen. Und wer das von sich behauptet, dem sollt ihr am allermeisten misstrauen. Wenn da jemand kommt und sagt: Ja, das wird da und da hingehen und das ist doch ganz klar oder so. Nein, das kann man im Nachhinein immer sehr schön sagen: Da habe ich ja richtig gelegen mit meiner Prognose. 00:27:36:04 - 00:28:26:14 Alexander Bretz Aber die ganzen anderen 80 Prognosen, die daneben lagen, die kann man dann immer schön vergessen. Deswegen wird es wohl leider nicht abgehen, dass ihr euren eigenen Weg aus dieser komischen Welt herausfindet mit den ganz neuen Herausforderungen. Klima, dieser furchtbare Krieg in der Ukraine, wird in irgendeiner Weise irgendwann mal vorbei sein. Die Frage ist, was dann an Trümmern noch da ist und was an Menschenleben bis dahin noch alles geopfert worden ist, bis irgendwie die Leute halbwegs vernünftig geworden sind. Und das sind Herausforderungen, die ich auch ehrlich gesagt gehofft habe, dass ihr die gar nicht mehr habt in eurer Generation oder haben müsst. Offensichtlich gibt es die dann noch. Und ich kann vielleicht erzählen von einer Studentin, die ist Ägypterin, von mir, die hat neulich zu mir gesagt: Ja, seht her, ihr Europäer, jetzt habt ihr das auch mal; das, was wir die ganze Zeit schon kennen. Und da bin ich richtig rot geworden vor Scham, weil ich dachte: Recht hat sie. 00:28:27:12 - 00:29:08:04 Joyce Diedrich Vielleicht noch eine weitere Frage: Gibt es denn etwas, was du dir auch angesichts all dieser Dinge, die du gerade aufgezählt hast und die natürlich unsere Art zu arbeiten und zu leben beeinflussen - momentan passieren ja täglich eigentlich Dinge, wir müssen uns täglich neu ausrichten, neu kalibrieren - gibt es etwas, was du dir wünschst für die... Tatsächlich jetzt konkret. Also Du kannst auch gerne sagen, was du dir wünschst für die Welt. Aber ich glaube, da wünschen wir uns alle gerade was ähnliches. Aber für die Kulturwelt. Was wünschst du dir für die Kulturwelt, wie du sie wahrnimmst und wie du Teil davon bist? 00:29:09:03 - 00:30:18:03 Alexander Bretz Ja, das kann man ganz konkret sagen, denn ich lebe ja in Deutschland und leider zu selten und zu kurz immer im Jahr in Frankreich. Aber ich wünsche mir für die deutsche Kultur und ich wünsche der deutschen Kultur, dass sie mehr wahrgenommen wird, mehr Gewicht bekommt, so wie das in Frankreich üblich ist. Wenn ich dort in der Normandie, meiner zweiten Heimat, in ein kleines Dorf, in ein Bauernhaus gehe, dann ist da das Verständnis, über Kultur zu sprechen, viel, viel größer als wenn ich hier manchmal in einen Wirtschaftspalast komme, wo ich erst mal erklären muss, was Kultur ist. Da fragt mich der Bauer: Warst du schon am Mont Saint Michel oder hast du schon die Tapisserien von Bajeux dir angeguckt? Das sind die so die beiden Nationalheiligtümer da in der Normandie. Und dann kommt man in eine ganz andere Gesprächsatmosphäre als wenn man hier so reinkommt, und sagt: Ja, also Ihre Daten vom letzten Quartal sehen ja nicht so gut aus. Oder so. Das wünsche ich mir. Und das geht natürlich einher mit mehr Selbstbewusstsein auch für die ganze Kulturbranche oder für die ganze Kulturszene, für die Kultur insgesamt. Einfach die Brust breiter zu machen und zu sagen: Hey, das ist nicht so, dass wir jetzt irgendwelche Corona-Hilfen hier brauchten, weil wir irgendwie eine arme Branche sind, sondern wir sind eigentlich euer Rückgrat, Freunde. 00:30:19:05 - 00:30:19:24 Joyce Diedrich Danke. 00:30:19:24 - 00:30:20:20 Eva Hüster Ja, vielen Dank. 00:30:21:19 - 00:30:32:17 Musik [Musik. Verzerrte Stimme: Kulturmanagement innovativ] 00:30:32:23 - 00:30:33:12 Eva Hüster & Joyce Diedrich Tschüss.