00:00:00:00 - 00:00:11:16 Musik [Musik. Verzerrte Stimme: Kulturmanagement innovativ] 00:00:11:16 - 00:00:16:17 Eva Hüster Herzlich willkommen zu unserem Podcast "Kulturmanagement innovativ... 00:00:16:17 - 00:00:25:23 Joyce Diedrich ...Kontakt." Ein Projekt der Hamburg Open Online University von und mit StudentInnen des Instituts für Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. 00:00:25:23 - 00:00:28:02 Eva Hüster Mein Name ist Eva Hüster. 00:00:28:02 - 00:00:59:07 Joyce Diedrich Und ich bin Joyce Diedrich. Und diesmal sprechen wir mit Prof. Martin Zierold. 00:00:59:08 - 00:01:13:15 Eva Hüster Martin Zierold ist nicht nur Studiengangsleiter am Institut KMM und unterrichtet Studierende in allen Präsenz- und Fernstudiengängen. Er berät außerdem Kulturinstitutionen in Veränderungsprozessen und ist Gastgeber des sehr umfangreichen und auch sehr empfehlenswerten KMM-Podcasts "Wie geht's?". Und auch die Ursprungsfrage dieses Podcasts: Wie kommt das Neue in die Kulturinstitutionen? stammt von ihm. 00:01:13:16 - 00:01:17:07 Joyce Diedrich Weil wir also mit unserem Studiengangsleiter und mit dem eigentlichen Initiator dieses Podcasts sprechen, ist dieses Gespräch etwas umfangreicher als sonst und hat auch reflexive Momente. In den Shownotes haben wir die Themen entlang einer Timeline dargestellt. Hier findet ihr wie immer weiterführende Links. 00:01:17:07 - 00:01:34:17 Eva Hüster Lieber Herr Zierold, schön, dass Sie da sind. Wir freuen uns, dass dieses Gespräch jetzt endlich stattfindet. Wir haben ja schon lange nach einem Termin gesucht. Ich finde das darf man auch so offen sagen. Würden Sie denn vielleicht mal erzählen so verschiedene Stationen Ihres Berufswegs, der ja sehr vielseitig ist? 00:01:36:07 - 00:02:11:07 Martin Zierold Ja, erst mal vielen Dank, dass ich da sein darf. Ich freue mich auch, dass das Gespräch stattfindet. Tatsächlich hat es eine Weile gedauert. Das spiegelt auch ganz gut wieder, was für eine intensive Zeit das gerade ist. Da kann man bestimmt im Laufe des Gesprächs ja auch drauf. Aber ich kann sehr gerne ein bisschen erst mal den Rückblick über den größeren Bogen machen. Meine beruflichen Stationen: Heute bin ich ja - das ist ja wahrscheinlich den meisten Hörerinnen und Hörern des Podcasts dann auch vertraut - im Hauptberuf Professor an der Hochschule für Musik und Theater am Institut für Kultur- und Medienmanagement. Und wenn man an den Anfang meiner beruflichen Biografie guckt, hat die ganz klassisch begonnen für jemanden, der heute an der Hochschule eben in einer Professur ist. 00:02:11:20 - 00:03:12:09 Joyce Diedrich Ich habe nach dem Studium direkt im Anschluss promoviert, habe die meiste Zeit meines Studienlebens mit ein paar Stationen anderswo an der Uni Münster verbracht, da Sozialwissenschaften studiert mit einem Schwerpunkt im Bereich Kommunikationswissenschaft, auch englische Literatur und einfach, was sich angewandte Kulturwissenschaft nennt, was gar nicht so anders ist wie Kulturmanagement oder damals gewesen ist mit auch BWL-Inhalten, mit managerialen Inhalten. Und habe in dieser Dreier-Kombination an Fächern auch promoviert, wobei natürlich die eigentliche Forschung im Hauptfach passiert und das war eben bei mir eine sozialwissenschaftliche Promotion mit der Fragestellung... Das war jetzt also 2004 habe ich angefangen, 2006 bin ich fertig geworden. Damals war das natürlich ein ganz heißes Thema, dann eine Zeit lang gar nicht mehr. Und jetzt glaube ich, kommt so eine Art zweite Welle, nämlich die Frage: Was digitale Medien, digitale Kultur eigentlich mit der Erinnerungskultur macht. Und damals hat man [das] noch nicht digitale Kultur oder digitale Medien genannt, sondern neue Medien. Das ist jetzt ein bisschen der sprachliche Unterschied, aber gemeint hat man eigentlich ganz ähnliche Entwicklungen und Fragestellungen. 00:03:12:09 - 00:04:16:08 Joyce Diedrich Und das war eine sehr theoretische Forschungsarbeit, für die ich jetzt auch nicht empirisch geforscht habe, sondern wo ich versucht habe, erst mal Fragen der Erinnerungsforschung-, Erinnerungskultur-Diskurse zu verbinden mit Diskursen um eben diese sogenannten damals "neuen Medien", "elektronischen Medien", "digitalen Medien", und zwei Diskurse, die eigentlich völlig unverbunden waren, mal zusammenzubringen. Und heute, glaube ich, ist sehr prägnant und präsent, dass das auch heute noch eine aktuelle Frage ist so: Was macht eigentlich die digitale Transformation mit allem, was uns so gesellschaftlich, kulturell umtreibt, auch mit der Erinnerungskultur? Aber das war der Start. Und man hätte von da aus eigentlich sicherlich dann auch einen sehr weiter Forschungs-, Theorie-orientierten Weg gehen können. Aber ich habe nach der Promotion so ein bisschen das Gefühl gehabt: Wenn ich jetzt in der Hochschulwelt bleibe, dann habe ich irgendwie Angst, dass irgendwann der Moment kommt, wo ich nur noch erzählen kann von Praktika, die ich im Studium gemacht habe, wenn es sozusagen um Praxis geht. Und habe ein bisschen auch das - sagen wir mal - Leben entscheiden lassen. Also ich konnte mir schon beides vorstellen, habe auch Bewerbungen an Wissenschaft und Praxis geschrieben. 00:04:16:08 - 00:05:25:03 Martin Zierold Aber so die erste wirklich attraktive Möglichkeit, die sich aufgetan hat, habe ich dann wirklich auch sehr, sehr gerne genommen, die außerhalb der Wissenschaft lag. Und das war tatsächlich eine Station, dann als Pressesprecher für ein Festival und Orchester in Österreich, wo ich - vielleicht kommen wir da sogar nachher noch mal darauf, wenn wir über Innovation sprechen - tatsächlich auch eine Organisation erlebt habe, die sehr eigentlich in einem kompletten, sich neu erfindenden Prozess' war. Vor allem das Orchester. Habe das in Pressearbeit begleitet, habe zugleich ein Festival, das für das Orchester auch ein sozusagen Residenz-Festival werden sollte, das es noch gar nicht gab, in den zwei Jahren bis zum ersten Festival begleitet. Und hatte eigentlich dann eine Phase, in der ich mir gut vorstellen konnte, auch meinen Rest meines Berufslebens im Kulturmanagement zu verbringen. Allerdings nach so zwei, gut zwei Jahren... dieser konkreten Tätigkeit als Pressesprecher ich ja dann schon den Eindruck hatte: Naja Konzert 76 und Konzert 75 unterscheiden sich jetzt in den Aufgaben der Pressearbeit, der Medienarbeit nicht so richtig. Und war dann noch mal etwas neugierig auf "was gibt es noch"? Und da war es dann eigentlich wieder so, dass ich mir vieles vorstellen konnte, auch unterschiedliche Bewerbungen denkbar waren, aber dann sich eine Möglichkeit aufgetan hat, die so ein bisschen die manageriale Tätigkeit in der Forschungs- und Lehrtätigkeit zusammengebracht hat. 00:05:25:16 - 00:06:26:12 Martin Zierold Und dann habe ich tatsächlich sieben Jahre lang, eigentlich die längste Zeit also an einem Stück, an einem Ort an der Universität Gießen ein kulturwissenschaftliches Forschungszentrum als akademischer Geschäftsführer, aber auch als - sagen wir - Wissenschaftler begleitet und mit geleitet. Und die nächste Station danach war dann tatsächlich schon eine Professur mit Kulturmanagement im Titel. Das war eine kleine private Hochschule, von einer Stiftung getragen in Karlsruhe, wo es einen Studiengang gab, Kulturmanagement und Kulturwissenschaft. Und da konnte ich quasi meine Gießener kulturwissenschaftliche Perspektive und meine österreichische Kulturmanagement-Praxis ganz schön zusammenbringen und auch ein Studiengang zu Kulturmanagement auf Bachelor-Level leiten. Und ja, das war dann schon der Schritt bevor Hamburg kam. Wobei Hamburg ja als Gastrolle begonnen hat, die eigentlich nur so mit 20 % auf zwei Jahre ausgelegt war. Und dann durch einige jedenfalls für mich sehr glückliche Umstände ist dann daraus die Professur geworden, die ich heute eben wirklich als Vollzeitprofessur habe und ja, hat mich nach Norden geführt. 00:06:28:00 - 00:06:40:06 Eva Hüster Vielen Dank. Sie arbeiten ja auch noch. Sie haben auch noch so eine Coaching-Ausbildung gemacht und betreuen Kulturorganisationen in Transformationsprozessen. Können Sie dazu noch etwas erzählen? 00:06:40:21 - 00:07:41:05 Martin Zierold Ja, das ist also ein bisschen manchmal gar nicht so klar zu trennen, weil wir sozusagen als Wissenschaftler mit einem so starken Praxisfeld als Bezugsfeld, wie das im Kulturmanagement der Fall ist, eigentlich sowieso im ständigen Austausch auch mit Kulturorganisationen ist. Die Coaching-Ausbildung, die Sie angeführt haben, habe ich tatsächlich schon vorher in meiner Gießener Zeit gemacht. Das Gießener Forschungszentrum hat sehr stark sich an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerichtet in der Phase der Promotion und den ersten vier bis fünf Jahren nach der Promotion. Und das ist eine biografische Phase im Wissenschaftssystem, die von sehr, sehr viel Unsicherheit geprägt ist und die ganz massiv auch immer von der Frage geprägt ist: Bleibe ich in der Wissenschaft oder bleibe ich nicht? Und zwar sowohl mit dem Vorzeichen: Möchte ich eigentlich bleiben oder möchte ich das gar nicht? Aber wenn ich beantworte mit: Ich würde gerne; heißt es dann eben auch noch nicht genau: Ich schaffe es auch. Und zwar gar nicht so sehr aus Leistungsfragen, sondern weil einfach nicht genug Plätze sozusagen im System sind nach diesem Flaschenhals der ersten Jahre. 00:07:41:05 - 00:08:34:11 Martin Zierold Und deswegen war einfach ein großes Thema für uns an diesem Forschungszentrum: Wie können wir eigentlich die Menschen, die bei uns Forschung machen, bestmöglich unterstützen, in diesem auch biografisch einfach sehr herausfordernden Weg? Und das war eigentlich der Punkt, weswegen ich dann bei der Coaching-Ausbildung gelandet bin. So das Ziel war vor allen Dingen mit Blick auf Promovierende, Postdocs, ein gutes Beratungsangebot aufbauen zu können. Und ein bisschen auch schon die Idee, dass es sicherlich in so einer Rolle als wissenschaftlicher Geschäftsführer auch für die Führungsaufgaben nicht verkehrt ist, einfach so, das Kommunikationsrepertoire ein bisschen um Coaching-Inhalte zu erweitern. Und ich habe dann zunächst mal eigentlich parallel zu meiner Gießener Zeit und dann auch in meiner Karlsruher Zeit nicht nur eben in Gießen, sondern auch Promovierende an anderen Standorten und sehr stark auch strukturierte Programme für Nachwuchswissenschaftler:innen beraten im Aufbau von guten Support-Strukturen. Also eigentlich kommt das eher aus dem Wissenschaftsmanagement tatsächlich diese Coaching-Perspektive. 00:08:34:11 - 00:09:13:24 Martin Zierold Und als ich dann aber nach und nach in diesem kulturmanagerialen Bereich erst in Karlsruhe und dann in Hamburg an der Hochschule auch wieder stärker vertreten habe, da auch stärker mit Publikationen und so weiter sichtbar geworden bin, kamen dann immer wieder auch Anfragen von Häusern, die gesagt haben: Wir haben gerade diese oder jene Herausforderungen und würden uns freuen, wenn Sie mal einen Vortrag halten könnten oder würden uns freuen, wenn Sie mal einen Workshop mit unserem Team machen. Und das ist eigentlich etwas... so dieser ganze Bereich der Wissenschaft ist sehr, sehr zurückgegangen, weil ich einfach auch zeitlich das natürlich nur sehr begrenzt machen kann und dann irgendwie auch einen inhaltlichen Schwerpunkt setzen wollte. Und das ist glaube ich, so ein Prozess der letzten fünf Jahre so gewesen, dass ich immer weniger im Bereich Wissenschaft beraten habe und immer mehr im Bereich Kultur beraten habe. 00:09:13:24 - 00:09:48:18 Martin Zierold Und heute ist ja ein bisschen das Glück: Einfach sozusagen, was das Themenfeld, was ich bespiele, dass natürlich dieses Thema digitale Transformation - was bei mir ja auch im Titel der Stiftungsprofessur steht, die von der Zajadacz-Stiftung finanziert ist, Innovation durch Digitalisierung als Leitthema dieser Professur hat -, dass das ein Thema ist, was eigentlich fast jede Kultureinrichtung heute als Herausforderung beschäftigt und da auch immer wieder angeklopft wird und gesagt wird: Können Sie uns helfen? Wobei ich eigentlich mehr Dinge nicht tun kann, als ich tun kann und dann immer auch natürlich enttäuschen muss. Aber es gibt eben auch immer wieder die Projekte, wo man dann in verschiedenen Formen zusammenarbeitet. 00:09:49:17 - 00:10:31:22 Eva Hüster Ich habe deshalb noch mal so nachgehakt, weil Sie ja auch selber Leiter einer Kulturinstitution jetzt im weitesten Sinne sind. Also es ist natürlich eine Bildungsinstitution, aber es hat ja gerade in unserem Fall aber auch allgemein, eine Hochschule hat viel mit Kultur zu tun. Deshalb ist natürlich auch interessant, inwiefern... Also gibt es da für Sie einen Bogen? Also machen Sie dieselben Sachen? Sie sind ja auch in einem Transformationsprozess. Die Studiengänge werden neu akkreditiert. Ich hoffe, das darf man aussprechen. Und genau, da würde uns interessieren, inwiefern Sie quasi Ihre eigenen Ratschläge, die Sie anderen vielleicht geben oder Ihre eigenen Philosophien auch an der HfMT und am Institut für Kultur- und Medienmanagement selber befolgen. 00:10:33:01 - 00:10:53:04 Martin Zierold Eine super Frage. Die würde, glaube ich... Einen ganzen Podcast kann man zu der Frage sprechen und ich stehe auch sehr gerne zur Verfügung, dass wir das ein bisschen weiter vertiefen. Ich muss dazu zwei, drei Sachen herausgreifen dafür, um das zu beantworten. Vielleicht ganz kurz erst mal für diejenigen, die zuhören, die zum ersten Mal das Wort Akkreditierung hören, weil das natürlich ein sehr technischer Ausdruck ist, der auch wirklich sehr hochschulspezifisch ist. 00:10:53:14 - 00:11:51:00 Martin Zierold Das kann man sich vorstellen wie eine TÜV-Plakette für den Studiengang. Und ähnlich wie ein Auto eben alle paar Jahren seine TÜV-Plakette erneuern muss, müssen auch Hochschulen alle paar Jahre ihre Studiengänge im Prinzip einem Qualitätscheck unterziehen und die Frage ist nur eigentlich: Funktioniert das so? Kann man den überhaupt studieren? Finden die Menschen, die den gemacht haben, später auch eine gute Position? Lernen sie die Dinge, die man lernen muss? Und da kommt dann quasi eine kollegial zusammengesetzte, auch mit Studierenden, mit Alumni, mit Menschen aus der Praxis und mit anderen Wissenschaftler:innen eine Gruppe für zwei Tage an die Hochschulen und liest natürlich vorher ganz viel, was man denen zur Verfügung stellt und spricht dann mit einem und am Ende kriegt man im besten Fall die TÜV-Plakette und kann sich auf die Schulter klopfen. Oder aber bekommt auch Anregungen, wobei diese Anregungen oft gar nicht sozusagen was Schlimmes sind, also im Sinne von Motorschaden dringend den Motor wechseln, sondern eher auch Sachen sind: Gucken Sie mal, mit dem, was Sie können, könnten Sie doch dieses oder jenes noch mit integrieren, dann wird das dadurch vielleicht auch noch mal anschlussfähiger an andere Bereiche. Also ganz oft sind das wirklich auch sehr hilfreiche und innovationsfördernde Anregungen auch, die in solchen Prozessen entstehen können. Das erst mal so zur Erläuterung. 00:11:51:00 - 00:12:54:07 Martin Zierold Und genau wie Sie sagen, da ist das Institut KMM gerade mitten im Prozess. In ziemlich genau einem Jahr von heute aus, werden wir sozusagen hoffentlich die TÜV-Plaketten dann uns wieder auf die - na ja, auf die Türen klebt man sich die nicht wirklich. Aber im Prinzip sozusagen auf die Studiengänge wieder drauf tun können. Jetzt zu der Frage: Sind Ähnlichkeiten zwischen Kulturmanagement und Hochschulmanagement oder Studiengangs- oder Institutsmanagement? Da würde ich auf jeden Fall sagen: sehr, sehr viele. Das eine ist, auch wenn man es sich historisch anguckt. Dass es so ein bisschen zeitversetzt ist, dass Wissenschaftsmanagement das jüngere Fach ist. Also Kulturmanagement gibt es im europäischen Raum in verschiedenen Standorten, so ungefähr seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Das ist im deutschsprachigen Raum in Wien das erste Mal gewesen. Hamburg ist das erste deutsche tatsächlich Studienangebot an einer wissenschaftlichen Hochschule gewesen für Kulturmanagement. Es poppt aber auch zu ähnlichen Zeiten in Barcelona, in Belgrad, also an verschiedenen anderen europäischen Standorten, eigentlich wissenschaftliche Angebote für eine managende Tätigkeit im Kulturbereich auf. Und das ist ja erst mal ganz spannend, dass es so einen Moment gibt: 00:12:54:07 - 00:13:55:02 Martin Zierold Wann ist quasi eine Zeit reif - Und was heißt das eigentlich - dafür, dass gesagt wird: Das ist ein Feld, was sozusagen so selbstständig oder so abgrenzbar ist und auch so spezifisch in seinen Bedürfnissen, dass dafür eine Hochschulausbildung notwendig ist oder plausibel zumindestens wird. Und für den Wissenschaftsbereich passiert das auch, aber eigentlich so ein bis zwei Jahrzehnte später. Und wenn Sie jetzt noch mal nach Studiengängen für Wissenschaftsmanagement gucken, werden Sie in Deutschland eine Handvoll finden. Und ohne das jetzt erforscht zu haben, würde ich sagen wahrscheinlich Pi mal Daumen ähnlich viele, wie es vielleicht für Kulturmanagement so nach drei, vier, fünf Jahren nach den ersten Gründungen gab. Und die Diskurse, die sich um diese Fachgründung auch entwickeln, sind auch strukturell ganz gut vergleichbar. Also es ist eine große Debatte: Was heißt eigentlich Management für Hochschulen? Was heißt eigentlich Management für Kultur? Geht es darum, einfach zu gucken, was bewährt sich in der BWL, was bewährt sich in so klassischen Managementstudiengängen wie MBAs und diese Methoden bekannt zu machen, damit man professioneller unterrichtet? 00:13:55:02 - 00:14:55:11 Martin Zierold Und dann sagen natürlich die Menschen im Kulturbereich, genauso in den Hochschulen: Nein, das kann es eigentlich nicht sein, weil wir da auch eine ganz eigene Logik haben und anders funktionieren. Zahnpasta verkaufen ist nicht das Gleiche wie Tickets fürs Theater zu verkaufen; ist nicht das Gleiche wie Studierende für den Studiengang zu gewinnen. Also die Frage: Was ist die Eigenlogik und was ist übertragbar aus anderen Bereichen? Das sind sehr heiße Debatten und die sich eben für beide Felder gleichermaßen auch in der Entwicklung dieses Fachs nachvollziehen lassen. Und wenn wir jetzt noch mal in die Gegenwart gucken und schauen: Was sind denn die Herausforderungen? Womit schlagen sich denn die Organisationen rum im Bereich Kultur und im Bereich Wissenschaft? Dann gibt es auch unglaublich viele Parallelen. Also natürlich, wie eigentlich alle Organisationen, ist die digitale Transformation eine große Herausforderung. Sicherlich auch ein ganz, ganz großer Motor für Veränderung und auch vielleicht gute Entwicklungen. Aber zunächst mal auch was, wo die Organisationen einfach sich fragen: Was, Wie wird die Zukunft sein? Was ist unsere Rolle in einer Zeit im Kulturbereich, wo man eben Netflix zu Hause hat und der Gang ins Theater sich vielleicht auf einmal mühseliger anfühlt als er sich eben angefühlt hat, bevor es ein solches umfassendes Angebot gab? 00:14:55:11 - 00:16:00:02 Martin Zierold Aber genauso: Was ist eigentlich der Status von akademischem Lernen, wenn man so fast alles, was man sich an instrumentellen Dingen auch mit ein paar YouTube-Videos und vielleicht noch einem kostengünstigen Onlinekurs draufschaffen kann? Ich überspitze jetzt ganz bewusst. Also das als ein Thema. Ein anderes Thema aber auch sind die vielen anderen Veränderung in der Gesellschaft. Wenn wir mal das Thema Nachhaltigkeit uns angucken, Klimawandel, dann sind wahrscheinlich... Hochschulen und Kultureinrichtungen gehören im westeuropäischen Raum zu den Einrichtungstypen, die hinterherhinken im Vergleich zu anderen. Ist auch eine spannende Parallele. Eine meiner Thesen dazu wäre, glaube ich, dass gerade beides Bereiche sind, die sich so sehr immer sicher waren, auf der Seite des Guten zu stehen, dass sie sich so mit der Frage, wie moralisch und gut ist eigentlich unsere eigene Praxis, sehr lange sehr wenig beschäftigt haben. Und das sieht man ja auch an der Diskussion zu Arbeitsbedingungen sowohl in der Wissenschaft als auch im Kulturbereich. Und Sie merken schon, das war nicht so dahergesagt. Dazu könnten wir eine ganze Podcastfolge sicherlich füllen und vielleicht auch mehr. Es gibt ganz viele Parallelen, aber, und jetzt kommt sozusagen das Letzte, was ich vielleicht noch kurz zu Ihrer Frage sage: 00:16:00:02 - 00:17:08:17 Martin Zierold Ist eigentlich meine Rolle als Institutsleiter die gleiche Rolle oder strukturell eine ähnliche Rolle, wie wenn ich jetzt zum Beispiel mit jemandem spreche, der als kaufmännische Leitung oder als Intendantin ein Theater leitet oder vielleicht auch, wenn er als künstlerische Leitung ein Museum leitet? Und da tatsächlich, würde ich sagen, ist zunächst mal ein fundamentaler Unterschied, der auch wieder sehr spannend ist bei allen Vergleichen dieser beiden Felder. Und da müssen wir quasi zurückgehen bis aufs Grundgesetz eigentlich. Denn wenn man guckt, auch wieder erst mal die Analogie: Kultur und Wissenschaft haben beide im Grundgesetz sozusagen eine staatlich zugesicherte Freiheit. Also sozusagen eine sehr, sehr große, man könnte auch sagen, Narrenfreiheit, die sie schützt vor Interventionen des Staates zu sagen: Was soll jetzt ein Museum eigentlich genau machen? Oder: Welche Unterrichtsinhalte sollen in einem Seminar an der Hochschule stattfinden? Da können beide Institutionsformen immer sagen, wenn es Interventionsversuche gibt: Das ist nicht zulässig, wir haben Wissenschafts- und Kunstfreiheit in Deutschland. Wenn man jetzt auf der Organisationsebene guckt: wer ist Träger der Kunstfreiheit in einem Theater oder Träger der Kunstfreiheit in einem Museum? -, dann ist es spannenderweise die Leitung. 00:17:08:17 - 00:18:31:14 Martin Zierold Und zwar nur die Leitung, was auch dazu führt, dass diese ja auch sehr in der Kritik stehenden Dinge passieren können, dass in der Nacht vor einer Premiere ein Intendant sagen kann: Das, was du da gemacht hast, liebe:r Gast-regisseur:in, gefällt mir nicht, geh mal schön nach Hause, wir setzen deine Produktion ab und spielen jetzt stattdessen lieber was, was ich gemacht habe. Oder eben was auch alles an anderen Eingriffen und so weiter innerhalb der Struktur passiert, weil tatsächlich die Intendanz immer sagen kann: Ich bin hier derjenige, der sozusagen über das Haus entscheidet. In einem Stil und einer Art - jedenfalls von der theoretischen Möglichkeit her - die eben so ein Feudalsystem ist, wie sie wahrscheinlich in der Wirtschaft heute nirgendwo mehr funktionieren würde. Und letztlich sozusagen wirklich so die letzten Königreiche eigentlich sind, die es auch gerade im öffentlich finanzierten Bereich so noch gibt. Wenn man das jetzt im Wissenschaftsbereich ähnlich erwarten würde, also mit Institutsleitung eine solche Machtfülle und eine solche Gestaltungsmöglichkeit - wobei gestaltend vielleicht fast ein bisschen soft ist, es ist ja auch letztlich eine Herrschaftsfülle, die das bedeutet -, dann ist tatsächlich der entscheidende Unterschied, dass also die Wissenschaftsfreiheit nicht bei der Hochschulleitung und schon gar nicht bei der Institutsleitung angesiedelt ist, sondern bei jedem einzelnen Lehrenden mit noch mal einem besonderen Privileg auf der Gruppe der Professor:innen. 00:18:32:06 - 00:19:36:21 Martin Zierold Und das tatsächlich führt in der inneren Struktur zu fundamental anderen Abläufen und eben auch Fragen von: Wie kommt eigentlich das Neue ins System und wer kann was beeinflussen? Denn sie haben eben sozusagen, wo sie das Feudalsystem oder sagen wir mal das Königreich im kulturellen Bereich haben - wenn wir jetzt von staatlich geförderten klassischen großen Hochkulturorganisationen sprechen - haben sie eigentlich so einen - ich nenne das manchmal - Schrebergartenprinzip gegenüber den Königreichen in der Wissenschaft, wo quasi jede Professur sein eigenes kleines Feld hat und niemand kann ihnen da reinfuchsen und reinreden. Was einerseits natürlich eine unglaubliche Freiheit und Vielfalt ist. Aber andererseits die Frage von: Wie steuere ich eigentlich solche Organisationen?, Wie sorge ich dafür, dass eine Organisation eine gemeinsame Ausrichtung hat?, unendlich viel komplexer macht als wenn Sie sozusagen eine Person an der Spitze haben, die im Prinzip über alles bestimmen kann. Es geht jetzt gar nicht darum zu sagen, ist alles gut oder schlecht. Ich glaube, bei beiden muss man sagen, sie haben ihre Dysfunktionalitäten. Wahrscheinlich sieht man die Dysfunktionalität des Alleinherrschens gerade sehr viel stärker als die Dysfunktionalitäten vielleicht von so einem Pluralmodell. Aber auch das plurale Modell hat seine Herausforderungen. 00:19:36:21 - 00:20:39:24 Martin Zierold Und die Rolle der Institutsleitung ist da tatsächlich sehr viel stärker, eigentlich eine rahmengebende. Also im besten Fall dafür zu sorgen, dass es einen Raum gibt, in dem sich diese vielen potenziell sich auch als einzige Künstler:innen verstehen könnenden Menschen zusammenkommen und sich gemeinsam fragen: Was wollen wir erreichen? Was für eine Idee von Kulturmanagement, von Medienmanagement haben wir hier eigentlich? Wie kann man die in didaktisch angemessener Form - wir haben gerade über die Herausforderung: Was heißt Lernen eigentlich unter Bedingung der digitalen Transformation? - vermitteln? Das heißt sozusagen, es ist viel mehr Fragen stellen, einen Rahmen geben, auch anerkennen, was sich eben nicht von oben herab diktieren lässt. Und das ist keine ganz einfache Rolle manchmal. Es ist, glaube ich, auch oft eine Rolle, die auch zu Enttäuschungen führt, weil man ja manchmal durchaus mit dem Wunsch konfrontiert ist: Warum entscheidest du das nicht einfach? Warum machen wir das nicht einfach so? Warum ist da so viel Moderation und so viel Mal-Gucken und Mal-den-Prozess-Abwarten? Aber es hat tatsächlich was zu tun damit, dass es letztlich dabei auch um diesen Wert der Freiheit der Wissenschaft geht. Und eben auch um den Wert der Freiheit der Lehre geht. 00:20:39:24 - 00:21:12:19 Martin Zierold Und ich persönlich mag diese Rolle tatsächlich auch ganz gerne, weil ich sowieso immer auch schon vorher so funktioniert habe, dass ich eigentlich mehr Lust habe, mit Menschen zu arbeiten, die auch wollen, als meine Zeit damit zu verbringen, Menschen irgendwie zum Wollen zu kriegen. Und das ist vielleicht manchmal mühselig und heißt auch, dass viele Sachen nicht passieren, die vielleicht passieren würden, wenn man mehr missionarischen Anspruch hätte. Aber ich glaube, mir ist es ganz gemäß, in dieser Art zu arbeiten. Lange Antwort. Sorry. Aber ich habe versucht, so ein bisschen den Bogen zu den verschiedenen Facetten Ihrer Frage zu spannen. 00:21:12:19 - 00:21:13:01 Eva Hüster Ja, vielen Dank. 00:21:13:07 - 00:21:13:12 Joyce Diedrich Ist doch toll. 00:21:14:06 - 00:21:16:14 Eva Hüster Ja. 00:21:16:14 - 00:21:39:23 Joyce Diedrich Gehen wir einmal einen Schritt zurück. Sie arbeiten ja sowohl managerial jetzt eben und eben auch als Wissenschaftler und entwickeln diese Prozesse und sind Rahmengeber, wie Sie gerade gesagt haben, quasi als Institutsleiter. Nun unterrichten Sie ja auch. Wo sind die Schnittmengen mit dem Coaching, das Sie anbieten, und mit dem Lehren? Welche Bedeutung hat die Lehre für Sie? 00:21:41:13 - 00:22:46:11 Martin Zierold Also zunächst mal würde ich sagen, wirkliches Coaching im Sinne von, dass eine einzelne Person zu mir kommt und sagt: "Begleite mich über einen längeren Zeitraum", mache ich ganz, ganz, ganz selten nur noch. Also insofern Schnittmengen quantitativ schon kann es fast gar nicht geben. Wenn man aber quasi nach der Qualität fragt, ne, also sozusagen: Was ist eigentlich so der Kern von der Coachinghaltung? Und wie funktioniert die Institutsleitungsrolle? Und wie funktioniert jetzt die Rolle im Klassenzimmer? Also Klassenzimmer - Seminarraum. Würde ich jetzt sagen... Da ist jedenfalls so wie ich es verstehe und so wie ich es auch praktiziere und ich habe es ja gerade schon so ein bisschen auch beschrieben, dass Leute sich auch viel eben Fragen, Rahmen geben, das sind ja alles Stichworte, die genau zum Coaching passen, dass also da durchaus große Schnittmengen sind. Und das gilt auch hin zur Lehre, weil ich schon sagen würde, ich glaube, auf der Ebene von Faktenwissen ist nicht mehr die Herausforderung für Studierende, die bei uns sind, dass sie jetzt irgendwie sich 90 Minuten Vorlesung anhören müssten von jemandem, der sehr viel mehr weiß als sie und ihnen das alles einmal vorträgt. 00:22:46:14 - 00:23:04:16 Martin Zierold Also schon vor 30 Jahren konnte man da schon trefflich drüber streiten, ob das eigentlich ein Format ist, was so wahnsinnig hilfreich ist. Könnte ich jetzt auch zu ausholen. Ich habe immer ganz gerne in Vorlesungen gesessen. Also ich will es jetzt auch nicht verteufeln. Es hat auch was Schönes. Es ist so ein bisschen ja auch wie ein monologischer Podcast, bei dem man sich auch ein bisschen zurücklehnen kann und mal guckt, was hängenbleibt. 00:23:04:16 - 00:24:14:16 Martin Zierold Aber jedenfalls, dass es sozusagen die Kernform akademischer Lehre sein sollte - ein Wissender steht vorne und redet und Lernende hören zu und schreiben mit - Das glaube ich, das kann es nicht mehr sein. Und die Frage ist ja: Was ist denn die Alternative? Und ich glaube eine für mich zentrale Erkenntnis... Und da hat tatsächlich auch... Die Coachingausbildung für mich war immer die prägendste Didaktikausbildung zugleich, ohne dass es da jemals explizit um Didaktik ging. Weil ich tatsächlich schon glaube: Lernen braucht erst mal eine intrinsische Motivation und das ist auch eine Annahme von Coaching. Also ich coache ja nicht jemanden hin zu etwas, das die Person nicht will, sondern die Person definiert ja selber ein Entwicklungsanliegen und geht mit dem ins Coaching. Und so würde ich letztlich auch eine Studienentscheidung verstehen. Das ist ja eigentlich auch ein selbst definiertes Entwicklungsanliegen, mit den man dann in einen Studiengang geht und hofft, dass man dort eine gute Begleitung findet, um das zu lernen, von dem man selber aber auch überzeugt ist, dass man es lernen möchte. Das ist auch einer der Gründe, warum ich heilfroh bin, Hochschullehrer geworden zu sein und nicht Schullehrer, weil natürlich die Schulpflicht eine vollkommen andere Voraussetzung schafft als eine zumindest von mir zu unterstellende freiwillige Entscheidung, sich ein Studium gewählt zu haben. 00:24:14:16 - 00:25:07:14 Martin Zierold Und das heißt also, das Anliegen liegt eigentlich bei der Person, die studiert. Und meine Rolle ist es zu versuchen, bei der Erfüllung dieses Anliegens gut zu unterstützen. Das kann auch mal durch Wissen sein. Es ist aber oft auch eben da durch das Geben, das Schaffen eines Rahmens, in dem man Erfahrungen gemeinsam macht, die dann sozusagen Lernen ermöglichen. Und wenn man es mal so beschreibt, dann würde man tatsächlich sagen, dann ist eigentlich zwischen Führung, das sich sozusagen als coachendes Führen versteht, Coaching im Sinne von wirklich ein 1:1-Setting und jemanden als Coach begleiten, und einem solchen Verständnis von einer lehrenden Rolle, die eigentlich eher eine sozusagen Lernbegleitung, ein Lernsupport ist, kein großer Unterschied. Natürlich gibt es im Alltag immer noch auch andere Anteile und auch unterschiedliche Gewichtungen, aber ich würde sagen so, da ist ein gemeinsamer Kern, der vielleicht sogar mehr als eine Überlappung ist, sondern eigentlich wirklich ein gemeinsamer Kern ist. 00:25:09:02 - 00:25:36:11 Joyce Diedrich Unser Podcast heißt ja "Kulturmanagement innovativ Kontakt". Deswegen können wir vielleicht einmal eine Brücke schlagen zum Thema Innovation. Was bedeutet Innovation für Sie? Wir fragen das jeden Gast, weil wir gemerkt haben, dass die Definitionen sehr unterschiedlich ausfallen. Genauso wie: Was bedeutet Kultur? Was bedeutet Kulturmanagement? Und auch: Welche Relevanz hat Innovation in Ihren Augen, vor allem im Hinblick auf den Kulturbereich? 00:25:37:11 - 00:26:43:06 Martin Zierold Ja, super, super Frage und auch wieder eine ganz komplexe Frage. Ich habe mit dem Innovationsbegriff eigentlich im Grundsatz immer ein bisschen sogar mein Problem. Und muss es aber dann zugleich auch gleich noch mal relativieren, weil ich schon glaube, dass es im Moment ganz wichtig ist, über Innovation nachzudenken. Und es ist auch gut, dass es diesen Podcast gibt. Und der Podcast wäre vielleicht wieder auch ein schönes Beispiel für Innovation. Und wenn man mal ganz, ganz basal erst mal argumentiert, dann würde ich sagen: Innovation eben sind diese Momente oder diese Prozesse, bei denen, man könnte sagen, das Neue ins System kommt. Ne? Und wenn man dem Beispiel eines solchen Podcast jetzt am Institut KMM nimmt, da ist eine ganze Menge Innovation drin. Das eine ist, wenn man das Medienformat anguckt. Also wir haben zu Beginn der Pandemie, wenn wir jetzt auf den Februar 2020 zurückspulen, dann ist eigentlich selbst die Idee, einen Podcast zu machen, höchstens ab und zu mal ganz vage im Modus von: "Man müsste mal" besprochen worden. Und dann kam halt irgendwie der Lockdown und es ist quasi über Nacht eigentlich das Gefühl entstanden, das ist jetzt der Moment, da probieren wir es einfach mal. Und dann ist diese erste Institutspodcast, mit dem Wie-geht's-Podcast entstanden. 00:26:43:06 - 00:27:45:03 Martin Zierold Und dann ist es aber sozusagen das eine, Mal so ein Experiment zu machen, das andere ist, es zu etablieren und sozusagen auch andere Formate zu entwickeln, wie jetzt eben auch der Podcast, den Sie ins Leben gerufen haben. Das heißt, wir haben ja quasi ein Medienformat, das selbst eine Innovation ist, die so, als Teil von dem, was Hochschulangebote ausmacht, vor drei Jahren jedenfalls in unserem ganz konkreten Institut überhaupt keine Rolle gespielt hat. Und jetzt gibt es das auf einmal. Und zwar nicht nur einen, sondern eben ein sozusagen ganzes Repertoire, könnte man sagen an Medienformen. Ihren wiederum auch im Zusammenhang mit dem HOOU-Angebot, also auch noch mit dem Gedanken, hier eigentlich wirklich ein Lernformat zu entwickeln, das auch verkoppelt ist mit anderen Angeboten, das sich auch ganz ausdrücklich sozusagen nicht nur an Studierende richtet. Sondern eigentlich das Wissen, was so eine Institution verkörpert, zugänglich zu machen, auch für Menschen, die sich entscheiden wollen. Also ich glaube, da ist ganz viel mediale Innovation im Format, jedenfalls verglichen mit dem, was vorher ist. Da ist aber auch eine Innovation in der Frage: Was ist eigentlich der Auftrag der Institution? Richten wir uns eben primär mit unserem Bildungsangebot an Studierende oder ist das ein breiteres Verständnis, eine Transferidee da? Und eine nicht zu unterschätzende Innovation, 00:27:45:03 - 00:28:48:03 Martin Zierold jetzt auch wenn wir konkret über Ihren Podcast sprechen, steckt ja auch darin, dass Studierende auf einmal nicht diejenigen sind, die in der Lernrolle sind, sondern dass Studierende der Rolle sind, die sagen: Wir können einen Beitrag leisten, was dieses Institut sein könnte, was es tun sollte. Und wir nehmen das auch in die Hand und entwickeln dieses Format und setzen es um und setzen uns hin und sind nicht in der Mitschreibend-in-der-Vorlesung-Rolle, sondern in der wir-definieren-die-Themen und sagen, wer die Gäste sein sollen und befragen die. Also auch in der sozusagen Entwicklung von: Wer hat eigentlich welche Aufgabe?, Wer kann was tun in einer Institution?, ist es ein schönes Beispiel dafür, dass hier ganz viel neues ins System kommt. Und eben so dieses Das-Neue-ins-System-Bringen, das würde ich sagen, ist für mich eine - es ist vielleicht ein bisschen fast eine tautologische, letztlich aber dann doch so eine - ganz basale Frage. Wenn ich gucken würde, ist etwas innovativ?, würde ich mich schon fragen: Macht es sozusagen in diesem Sinne einen Unterschied, der natürlich im besten Fall als eine Qualitätsverbesserung auch verstanden werden sollte und nicht nur einfach als ein Es-ist-irgendwie-anders-als-das-vorher-war. Warum sage ich, ich habe ein bisschen Problem mit dem Innovationsbegriff? 00:28:48:03 - 00:29:55:08 Martin Zierold Er wird für mich oft, sagen wir mal, in vielen Diskursen, als so quasi, das ist das Erstrebenswerte und Nicht-Innovation ist dann im Gegenzug immer das Schlechte und irgendwie Gestrige und Behäbige. Und das ist so ein Verständnis - Ich komme eher aus einer Perspektive, die sagt, dass wir eigentlich immer beides brauchen. Also dass sozusagen die Herausforderung eigentlich ist: Wie finden wir eine gute Spannung oder eine gute Balance aus Stabilität und Veränderung? Und ich glaube, dass ist im Kulturbereich und auch im Hochschulbereich Innovation gerade so wichtig ist nicht, weil Innovation per se gut ist, sondern weil wir vielleicht zu lange keine gute.. also keine gute Balance gefunden haben, sondern zu viel Stabilität hatten. Und wenn das so ist, dann stimmt natürlich auch, dass so dieses Spotlight auf Innovation und die Verve, mit der Veränderung gefordert wird, wie wir es ja auch gerade erleben, berechtigt ist, weil wir einfach aus einer gewissen Phase, vielleicht der Stabilität und durchaus auch Trägheit kommen, in diesen auch - also auch nicht in allen Einrichtungen, aber in manchen - Einrichtungen, die dann auch so einen Nachholbedarf und auch vielleicht eine besondere Dringlichkeit erzeugen. 00:29:55:19 - 00:31:00:09 Martin Zierold Ich glaube, dass man aber auch eben aufpassen muss. Also ich bin keiner der Menschen, die irgendwie sagen: Disruption ist sozusagen das großartigste, was einem passieren kann. Weil wenn wir einfach gucken, so: Was macht Menschsein aus?, dann würde ich schon sagen: Menschen brauchen immer auch Bezüge zu etwas und etwas, auf das sie aufbauen können und etwas, das auch ein Rahmen ist, der ihnen Orientierung und Sinn gibt. Und das ist halt mit der kompletten Disruption auch schwer möglich. Und da ist dann eher die Frage der Dosis oder der Balance. Ich bin immer ganz schön der Philosoph Odo Marquard, den ich an der Stelle für mich sehr prägend empfinde und wahnsinnig gern lese. Übrigens auch tolle Texte. Der hat sein ganzes Leben lang eigentlich nur Aufsätze geschrieben. Das stimmt nicht ganz, er hat nämlich auch halt eine [Habilitation] gemacht und so weiter. Aber dann in seinem späteren Leben alles Reclam-Heftchen, also auch ganz günstig zu kaufen. Und hat auch immer gesagt so, für ihn ist das so die Schreibform gewesen, die seinem Denken angemessen ist, weil er eben nicht die ganz großen Thesen und dicken Bücher entwerfen wollte, sondern eigentlich immer so im Versuch, er hat sich auch als ein Nachfolger der Skeptiker aus der Antike verstanden. Und dem ist mal gesagt worden, er sei doch eigentlich ein Konservativer. 00:31:00:09 - 00:32:00:24 Martin Zierold Und ja also er hat seine hohe Zeit auch so zur Kohl-Zeit gehabt, 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Und dann hat er gesagt: Na ja, ich bin schon konservativer, aber das muss man so verstehen, wie in der Medizin konservativ verstanden wird und konservative Behandlung ist eben die Behandlung, die versucht, nicht gleich den Daumen abzuschlagen oder sozusagen operativ ranzugehen, wenn da was kaputt ist, sondern erst mal zu gucken: Können wir auch ohne Operation das Ganze heilen? Und er meinte sozusagen: Wer halt nicht auch ein bisschen konservativ ist, der operiert am Ende überall rum und dann ist ziemlich sicher, dass der Patient tot sein wird. Und das ist vielleicht so ein Bild, das ich auch ganz, ganz sympathisch und hilfreich finde. Es steht natürlich konträr tatsächlich zu einer heutigen Verwendungsweise von konservativem öffentlichen Diskurs. Auch darüber könnte man jetzt lange, lange sprechen. Aber ich glaube, so in diesem Sinne von konservativ ist Konservativsein nicht per se schlecht. Vor allen Dingen, wenn es eben diese Balanceperspektive aus - ich sag mal vielleicht besser, etwas neutraler und unpolitischer in der Konnotation - eben Stabilität und Innovation [hat]. 00:32:01:22 - 00:32:12:16 Eva Hüster Vielen Dank für diese Ausführungen. Ich versuche mal einen Bogen zu schlagen. Hoffentlich kann man das Gestammel rausschneiden. Also vielen Dank für diese Vorschläge. 00:32:12:17 - 00:32:13:22 Martin Zierold Ich lasse mein Gestammel immer drin. 00:32:13:22 - 00:33:14:08 Eva Hüster Ja, vielleicht. Vielleicht muss man das auch, muss man das auch einfach so stehen lassen. Also mir kommt die ganze Zeit der Begriff Entrepreneurship in den Kopf. Wir haben mit Henning Moor schon gesprochen, der den Begriff glaube ich zumindest auch sehr oft benutzt oder wenn nicht sogar geprägt hat. Und ich finde, das Ihre Idee oder diese Sichtweise, die Sie jetzt gerade geschildert haben, die ist auf jeden Fall bei uns als Studentinnen von Ihnen auch schon angekommen. Also das, das ist etwas, was mir auch sehr einleuchtet. Und da hängt ja dran diese Idee einer - BWL-Sprache - Mittelorientierung. Also immer erst mal zu gucken: Was ist denn da? Oder eben: Was kann man bewahren oder konservieren? Oder: Wo kann man bei schon bestehenden Prozessen ansetzen? Und fand irgendwie jetzt sehr interessant in Ihrer Ausführung, dass Sie eben sagen, das ist auch in jetzt im Fall unseres Podcasts, wie Sie das geschildert haben, ja so eine Idee: Also wer kann eigentlich einen Podcast produzieren? 00:33:14:08 - 00:34:00:06 Eva Hüster Wir brauchen niemanden von außen. Wie können auch Rollen umgeschrieben werden? Und wie kann eben Verantwortung auch abgegeben werden an Leute, von denen man in einer klassischen hierarchischen Struktur jetzt erst mal nicht annehmen würde, dass sie diese Verantwortung übernehmen? Und das... Ich nutze jetzt diese Gelegenheit und sage mal: Danke! In unser beider Namen glaube ich, weil das ja wirklich ein Moment ist, wo wir genau alles, was Sie bisher auch geschildert haben, selber erleben konnten. Und nur deshalb gibt es diesen Podcast, weil Sie diese Räume und diese Rahmen eben schaffen. An dieser Stelle: Danke. Und eben noch mal dieser Einwurf mit dem Intrapreneurship. Ich weiß nicht, ob Sie dazu noch mal was sagen wollen. Den Begriff benutzen Sie ja auch oder diese ganze Schilderung machen Sie ja auch häufig, oder? 00:34:01:23 - 00:35:12:16 Martin Zierold Also kann ich gerne was zu sagen. Mal ganz kurz: Danke für das Danke. Und auch wenn es vielleicht ein bisschen sehr reflexiv wird, aber ich würde den Dank zurückgeben wollen. Und zwar sowohl zurückgeben an Sie in allererster Linie, denn es braucht ja die Menschen, die die Idee haben und dann auch machen wollen. Also klar, es braucht auch den Rahmen, aber eben dann der Rahmen alleine ist es halt auch nicht, wenn da kein Bild entsteht. Und insofern ist das schon, glaube ich, ganz wichtig. Und was aber auch wichtig ist, auch tatsächlich, um ehrlich und stimmig zu bleiben, zu der Frage: Wer gibt denn hier den Rahmen? Das bin ja nicht ich und schon gar nicht ich alleine, sondern das ist ja auch wieder ein kollegial gemeinsamer Prozess. Wir haben sozusagen das Lernenlabor als auch sozusagen ein Drittmittelprojekt, was von der Clausen-Simon-Stiftung gefördert wird, in dessen Rahmen eben auch solche Experimente gefördert werden können, ganz stark eben auch Studierenden-Initiativen möglich sind. Das ist ein ganz spannendes Förderprogramm der Stiftung, weil: Es tatsächlich beginnt nicht mit dem Antrag eines Professors oder einer Professorin, sondern es beginnt mit der Idee von Studierenden, die nominieren. Und dann werden Lehrende gefragt, ob sie eine Idee haben, was sie machen würden, wenn sie Geld kriegen würden. Aber die Lehrenden werden nur dann gefragt, wenn es erst mal Studierende gab, die sie sozusagen vorgeschlagen haben. Und wenn die Lehrenden dann sagen, ich hätte da eine Idee, dann werden als nächstes Studieren wieder gefragt und eingeladen: Wie findet ihr denn die Idee? Kommentiert das mal. 00:35:12:16 - 00:36:19:04 Martin Zierold Und am Ende dieses Prozesses, der also von vornherein schon tatsächlich so ein ko-kreativer, pluraler Prozess ist, ist ein neues Lernlabor dabei entstanden. Und das wichtigste, glaube ich, für das Lernlabor, was auch dazu führt, dass es eben so ein paar Dinge wirklich auch passiert sind, in dem Rahmen, ist, dass es wiederum ein studentisches Projektteam gibt, das mit Lernlabormitteln angestellt werden konnte. Also deswegen ist mir ganz wichtig, da nicht die Lorbeeren für mich alleine zu nehmen. Ich glaube schon, das kann ich auch nehmen und das beanspruche ich auch für mich dann natürlich auch einen Anteil dabei habe und auch sozusagen eine Rolle dabei habe, aber eben tatsächlich alles andere als einer exklusiven. Und das wäre mir ganz wichtig. Aber jetzt zu der Frage von Mittelorientierung, Intrapreneurship: Ich würde zunächst mal vielleicht sagen, einfach auch vielleicht wieder jetzt für Zuhörende, die jetzt nicht so sehr in diesen Begriffen schon drin sind, noch mal abgrenzen wollen: Mittelorientierung wäre für mich kein Begriff, den ich jetzt besonders mit Stabilität assoziieren würde. Sondern im Gegenteil: Ich glaube, dass Mittelorientierung, auch zu dem Vorhergesagten einfach eine von zwei Möglichkeiten, man könnte sagen von ja Arten, Projekte in den Blick zu nehmen und auch zu entstehen zu lassen. Und der ist nicht per se innovativer als ein klassisches Projektmanagement. 00:36:19:04 - 00:37:30:13 Martin Zierold Aber er ist eben auch auf keinen Fall, würde ich sagen, der konservativere jetzt auch in der marquard'schen Sprache. Und vielleicht für diejenigen, die zu Hause zuhören und eben nicht schon ganz viel dazu gelesen oder gehört haben, kann man sagen: Klassisches Projektmanagement funktioniert wie Kochen nach Rezept. So, das ist immer das Bild, was auch die Urheberin von dem Konzept, das kommt aus dem Kontext von Effectuation, das ist eine amerikanische Wissenschaftlerin Saras Sarasvathy, die sich damit beschäftigt hat, im deutschsprachigen Raum populär gemacht von Michael Faschingbauer, und die verwenden beide auch gern diese Kochmetaphorik und sagen also: Klassisches Projektmanagement ist Kochen nach Rezept. Das heißt, ich möchte wissen: Was gibt es heute Abend zu essen?, und wenn die Antwort ist: Wir hätten gerne Abend alle Spaghetti Bolognese., dann guckt man ins Rezept rein und schaut: Was brauche ich denn, damit es Spaghetti Bolognese geben kann? Und dann besorge ich mir die Zutaten, befolge die Schritte. Und dann gibt es am Ende des Abends auch wirklich Spaghetti Bolognese. So. Und genauso funktioniert Projektmanagement klassischerweise. Ziel steht am Anfang, deswegen auch "Zielorientierung". Dann besorgt man sich die Mittel, hat bestimmte Meilensteine, bestimmte Prozessschritte und dann ist das gewünschte Ergebnis im besten Fall da. Und es gibt ja durchaus Konstellationen, wo das genau richtig ist. Also es geht auch hier nicht um besser oder falsch, besser, schlechter oder richtig, falsch, sondern erst mal einfach darum, das ist eine Art, Dinge zu tun. 00:37:30:13 - 00:38:39:06 Martin Zierold Das einzige Problem, was ich sagen würde, was es vielleicht gibt ist, dass es sozusagen oft als die einzige Art, Dinge zu tun, oder die einzige Art, Dinge korrekt und seriös und professionell zu tun, präsentiert wird. Und die Alternative aber, die Saras Sarasvathy zunächst mal aus der Empirie abgeleitet hat, ist zu sagen: Ganz oft funktioniert es aber nicht so, es wird einfach nicht so gemacht, sondern es wird anders gemacht. Und zwar vor allen Dingen... Und da kommt jetzt erst mal das Entrepreneurship rein, bei Menschen, die nicht angestellte Managerinnen und Manager sind, sondern die selbst Unternehmer:innen sind. Also die im Prinzip auch das Risiko selber tragen. Das ist ja ein großer Unterschied, ob ich meine eigene Firma vor die Wand fahre oder ob ich angestellt bin und eher meinen Job vor die Wand fahre, bevor ich sozusagen die Organisation vor die Wand fahre. Und Saras Sarasvathy sagt: Ein Großteil von unternehmerischen Entscheidungen läuft nicht ab, dass man am Anfang ein Ziel definiert und dann sagt, jetzt brauchen wir da eben die Mittel und die und die Schritte und dann kommen wir an. Sondern unternehmerisches Denken macht im Kern häufig aus zu sagen: Was können wir denn mit dem machen, was wir hier vor Ort schon haben? Und das Bild, was sie da verwendet, ist eben: Es ist nicht Kochen nach Rezept, sondern es ist Kochen mit den Zutaten, die ich habe. 00:38:39:24 - 00:39:40:11 Martin Zierold Und das kennen vielleicht ja auch einige aus dem eigenen Kochalltag. Man macht den Kühlschrank auf, man hat keine Idee, was es geben soll, man guckt einfach. Also wir haben hier irgendwie noch Nudelreste von gestern und wir haben noch ein bisschen Eier und wir haben noch ein bisschen Sahne und dann schaut man einfach sozusagen: Okay, was können wir jetzt damit machen ohne einkaufen zu gehen? Und das Interessante an der Metapher und ich glaube, die Metapher passt da sehr gut: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich am Ende des Abends feststelle, es schmeckt scheußlich und ich muss ein Pizzataxi bestellen, weil es einfach nicht genießbar ist, ist sicherlich höher als beim Kochen nach Rezept. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass etwas passiert, was ich in keinem Rezeptbuch finde und wo man danach, vielleicht gerade wenn man es auch spielerisch mal sagt und man lädt vier Freunde ein, alle bringen was mit und man kocht dann mit dem, was sie mitgebracht haben, es gab ja auch hier mal Fernsehshows, die so funktioniert haben, dass da einfach was total Originelles bei passiert. Man könnte wieder sagen, dass Innovation dabei passiert, ist eben auch gesteigert. Also das Risiko ist höher, aber auch die Chance, dass da was wirklich Neues bei entsteht, ist höher als klar, wenn ich ein Rezept nachkoche. Und das ist also das, was diese Mittelorientierung ausmacht. Und für den Kulturbereich finde ich es aus zwei Gründen eine unglaublich spannende Perspektive. 00:39:40:11 - 00:40:50:18 Martin Zierold Der erste Perspektivenunterschied ist, wenn man im Kulturbereich Zielorientierung macht, dann setzt man ja erst mal das Ziel fest und guckt dann: Welche Mittel brauche ich dafür? Und es gibt unendlich viele Vorhaben, die an der Stelle aufhören, weil gesagt wird: Ja, wir haben aber die Mittel nicht; wir würden ja, aber wir haben das Personal gar nicht; wir würden ja, aber wir haben die Zeit dafür gar nicht; wir würden ja, aber, aber, aber. Ich will gar nicht sagen, dass diese Argumente vorgeschoben sind oder dass da nicht objektiv was dran steht. Aber es ist einfach unglaublich frustrierend für ein System, wenn es immer wieder sozusagen sich Ziele setzt, die dann mit den vorhandenen Mitteln nicht umzusetzen sind. Und eben ganz häufig sind aber Mittelsteigerungen auch nicht drin. Und dann bleibt man einfach sehr stark auch wieder in dieser Stabilität und dem Status Quo verhaftet. Das heißt, der eine Grund, weswegen Mittelorientierung spannend ist: Es dreht quasi den Blick um und fragt nicht so sehr: Was ist eine perfekte Zielvorstellung?, und dann leiden wir alle darunter, dass wir da nicht hinkommen, sondern es fragt eher: Was können wir denn für Schritte machen mit dem, was da ist an Mitteln? Und das hat eine unglaublich befreiende und unglaublich konstruktive, motivierende Kraft auch, weil wir eben nicht so sehr an dem Defizit zum Perfekten leiden, sondern uns eher darüber freuen, was vielleicht alles geht mit dem, was da ist. 00:40:50:18 - 00:41:57:03 Martin Zierold Und das zweite, weswegen das ein spannendes Konzept im Kulturbereich ist: Ich würde mal behaupten, Management im Kulturbereich funktioniert immer schon in hohen Anteilen genau so. Also da, wo Dinge passieren im künstlerischen Feld ebenso wie auch im Kulturmanagement, ist es ganz oft genau aus dieser Haltung heraus. Mal gucken, was wir mit dem, was da ist, in Rekombination, im Experimentieren schaffen können. Und dieses Konzept, gewisser Weise, wertet diese Praxis auf, die ganz häufig auch von Studierenden, wenn sie zum Beispiel in Praktika gehen und zurückkommen und sagen: Die machen das ja alle gar nicht so, wie es im Projektmanagement unterrichtet wird und irgendwie kommen sie mir so vor, ich muss Ihnen jetzt beibringen, wie man richtig Projektmanagement macht. Das ist ja alles defizitär. Und Effectuation zeigt uns, das muss nicht defizitär sein. Natürlich gibt es auch Chaos und Dilettantismus. Nicht alles, was irgendwie nicht klassisches Projektmanagement ist, ist deswegen schon super. Aber es gibt eben auch diese durchaus sozusagen funktionierende Form anders als im Klassischen Projektmanagement zu arbeiten, die gerade auch ihren Wert und ihre Berechtigung hat und vielleicht an manchen Stellen sogar höhere Potenziale bringen kann. Und das finde ich einfach auch wichtig zu erinnern, dass manchmal sozusagen auch die Praxis eine Weisheit haben kann. Und sobald ihr man ihr dann so einen Namen gibt, wird sie quasi aufgewertet. 00:41:57:03 - 00:42:53:07 Martin Zierold Vorher ist es auch schon gemacht worden, aber da hat man es nur verglichen mit klassischem Management und so, das ist aber alles hier so ein bisschen handgestrickt, was ihr macht. Und jetzt kommen wir noch mal zum letzten Punkt, den Sie genannt haben, das Intrapreneurship, das tatsächlich für mich insofern ein ganz spannender Punkt ist, als die Frage ist: Ja, welchen Sinn macht es so unternehmerische Logiken und unternehmerische Perspektiven zum Studieninhalt zu machen, die ja mehrheitlich nicht unbedingt sagen: Ich möchte später selbstständig sein. Sondern jedenfalls eine große, nach wie vor wirklich gewichtige Gruppe, die ihre Zukunft schon in Angestelltenrollen, sei es jetzt in klassischen Kulturinstitutionen, wie man vielleicht jetzt erstmal denkt Orchester, Theater, Museen und so weiter. Genauso aber auch in anderen Kontexten, soziokulturelle Zentren, vielleicht aber auch Gamingindustrien, Startups der Kreativwirtschaft, Stiftungen, natürlich ganz wichtiger Bereich, politische Organisationen. Aber letztlich eben nicht unbedingt unternehmerisch im engeren Sinn, sondern tatsächlich angestellt. Müssen die Entrepreneurship kennen? 00:42:53:07 - 00:43:47:24 Martin Zierold Und müssen die, wenn man ihnen Entrepreneurship beibringt... kommt man da nicht so ein bisschen mit einer neoliberalen Logik und macht auf einmal... sozusagen ökonomisiert all die Bereiche, die ja eigentlich nicht per se wirtschaftlich-, als Kernlogik, orientiert sein sollen? Und da würde ich eben sagen, wenn wir diesen Gedanken von Intrapreneurship ernst nehmen, dann muss das Ziel dabei ja nicht sein, dass jetzt jede Mitarbeitende noch quasi zur Unternehmerin ihrer Organisation werden soll, sondern dann steckt da eigentlich eher genau dieser Mittelorientierungsgedanke drin, dass es eine Perspektive ist, die gerade den großen Tankern total gut tun kann, wenn es Menschen gibt, die sozusagen die Kompetenz haben, auf solche Weisen das Neue ins System zu bringen, wie wir es vorhin gesagt haben. Und das wäre eben der Punkt, weswegen ich glaube, dass solche Intrapreneurshipperspektiven gerade für die manchmal sehr trägen, stabilen Tanker der Hochkultur, aber eben auch für viele andere Organisationen unglaublich hilfreiche Impulse sein können, um so ein bisschen in ihrer Beweglichkeit wieder gestärkt zu werden. 00:43:49:08 - 00:44:19:12 Joyce Diedrich Sie haben da gerade eine wunderbare Brücke geschlagen zu einer weiteren Podcastfolge von dieser Staffel, nämlich mit Annette Jagla, weil wir natürlich mit ihr genau über das Thema Effectuation geredet haben. Also vielen Dank dafür. Das ist immer wieder toll. Ich glaube auch für die Zuhörenden wird das spannend sein, das noch mal von Ihnen beleuchtet zu bekommen und eben sich hoffentlich auch so wie Eva und ich darin wiederzufinden, weil das nämlich genau etwas ist, wo wir uns sehr, sehr stark drin wiederfinden in dieser Denkart und Arbeitsweise und.. danke schön. 00:44:19:12 - 00:45:02:20 Joyce Diedrich Wir stellen immer die Frage bei diesem Podcast, wie das Neue in die Kulturinstitutionen kommt, genauso wie Sie sie ja auch stellen, wie wir das am Anfang auch gehört haben. Jetzt haben wir uns gefragt, weil wir eben den Fokus ein bisschen auf Ihre Funktion in der Hochschule setzen möchten: Sie sind eigentlich schon sehr darauf eingegangen, wie das Neue in die Hochschule kommen kann und wie auch die verschiedenen Stakeholder, Dozierende und Studierende da eine Rolle spielen können. Deswegen würde ich die Frage jetzt gar nicht noch mal stellen, sondern: Haben Sie denn vielleicht noch einen Wunsch oder einen Impuls oder eine Vision, wie ganz praktisch wirklich in der Umsetzung sich da konkret, vielleicht im nächsten Jahr, noch Dinge tun können, an denen diese Stakeholder beteiligt sein können oder wie sie sich beteiligen können? 00:45:03:09 - 00:46:04:10 Martin Zierold Also ich verstehe es irgendwie so als die konkrete Einladung, auch noch mal zu formulieren so: Was für Entwicklungsmöglichkeiten und eben aber auch Beteiligungsmöglichkeiten oder irgendwie Impulsmöglichkeiten gibt es eigentlich aktuell, aber vielleicht auch grundsätzlich an einem Institut wie dem Institut KMM, aber dann auch vielleicht wieder beispielhaft, wie so ein Bereich einer Hochschule? Und so das erste wäre, dass ich einfach hoffen würde, dass sozusagen so eine Atmosphäre oder man könnte auch sagen Kultur auch wirklich erlebt wird, wahrgenommen wird, indem zunächst mal alle, die irgendwie Stakeholder sind, Stakeholderinnen sind, sich eingeladen fühlen, wenn sie Impulse sehen - und das können Impulse der Kritik sein, also erst mal zu sagen: So wie es ist, ist es nicht gut. Und es kann genauso, und das macht es oft leichter, wenn es schon konkret konstruktiv gewendet ist, eben Impulse für Veränderungen, für Neues-Sein zu sagen: So mach doch mal das, probiert doch mal das oder lasst mich das und das probieren. Also das eine Atmosphäre da ist, wo zunächst mal einfach alle sich eingeladen fühlen, so was zu benennen und einzubringen. 00:46:04:10 - 00:47:07:06 Martin Zierold Und ich glaube, dass das schon unglaublich leicht vielleicht gesagt, aber wahnsinnig schwer in der Praxis wirklich in die Breite einer solchen Einrichtung, die ja eine unglaubliche Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren umspannt. Wenn wir da die Alumni mitdenken, die ich ausdrücklich mitdenken wollen würde, wenn wir da Lehrende, die vielleicht nur einmal im Jahr am Institut einen Tag im Fernstudium was unterrichten, mitdenken; wenn wir da die Studierenden natürlich ganz klar die Mitarbeitenden, die vielleicht gar nicht im Seminarraum stehen, aber einfach in der Verwaltung ganz wichtige Beiträge machen; also wenn wir all die verschiedenen Stakeholderinnen und Steakholder uns angucken, bis das wirklich bei allen ankommt und alle diese Erfahrungen machen, dass sie sozusagen eingeladen sind, sich für das Ganze zu interessieren und das Ganze zu kommentieren und Ideen einzubringen, dann wäre das, glaube ich, schon sozusagen ein gar nicht so kleiner Schritt. Und ich glaube, auf dem Weg, das wäre meine Hoffnung, auf diesem Weg haben wir vielleicht schon ein paar Schritte gemacht. Aber wir sind bestimmt noch nicht an dem Punkt, wo das natürlich sozusagen in der Breite alle immer so präsent erleben. Und das ist natürlich auch... Das braucht mehr so als ein abstraktes Ihr-könnt-uns-jederzeit-Feedback-Geben. Ne? 00:47:07:06 - 00:47:49:03 Martin Zierold Das ist ganz oft, glaube ich, das Missverständnis, dass man denkt, wenn man das einmal gesagt hat, dann sind ja alle eingeladen. Aber es braucht tatsächlich dafür auch Formate. Es braucht dafür auch ganz explizite eben nicht nur komm-zu-mir, sondern ich-komm-zu-dir-und-frage-dich, ich-spreche-dich-an und insofern ist es auch eine Aufgabe, die Zeit braucht und die eben also durchaus, würde ich sagen, über Jahre hinweg eigentlich ein laufendes Etablieren von einer solchen Kultur ist. Und ich glaube, dass das eben immer noch was ist, wo wir am Anfang stehen. Und dazu auch gehört tatsächlich die Frage: Zu wem gucke ich denn als erstes, wenn ich mich frage: Wo geht die Reise hin? Ich erlebe das schon auch nach wie vor, dass ganz häufig der Blick dann eben auch zu mir geht. Und so: Jetzt sag uns doch mal: Was ist denn die Zukunft? Und Was ist das Ziel? Und ich will mich dem auch nicht völlig entziehen. 00:47:49:03 - 00:48:52:20 Martin Zierold Einerseits, weil: Natürlich ist es auch eine Aufgabe für Leitung dazu Ideen zu haben und sicherlich auch jemand, der einfach Vollzeit an so einem Institut in so einer Position ist und dafür auch gut bezahlt wird, sollte auch nicht immer sagen: Ah, also damit habe ich jetzt aber gar nichts mit zu tun, ich moderiere hier nur. Also klar, das ist auch Teil meiner Aufgabe, aber eben ausdrücklich nicht exklusiv. Und ich glaube auch tatsächlich... Ich glaube nicht, dass ich irgendeine Idee an diesem Institut durchsetzen kann, wenn es nicht zugleich eine gemeinsame Idee ist. Also ich glaube tatsächlich ganz konkret, ich, so wie ich als Persönlichkeit irgendwie gerne arbeite, könnte es nicht, weil ich einfach da keinen Spaß daran hätte und dann irgendwann auch eher mal die Lust dann verlieren würde. Aber ich glaube halt auch, es wäre nicht hochschuladäquat. Und es wäre auch... Wenn es wirklich eine Veränderung ist, die nicht nur in meinem Klassenzimmer passiert - das liegt natürlich nicht in meiner Hand - sondern wirklich sozusagen in der Breite passiert, dann braucht es ja auch Kolleginnen und Kollegen, dann braucht es Studierende, die wissen, wozu dient das. Und das kann man nicht einmal irgendwie mit einer tollen Rede flammend als Plädoyer und dann vielleicht noch einer schönen Visualisierung einer Zukunftsvision allen vermitteln und dann machen das alle. Sondern das braucht quasi einen gemeinsamen Weg, auf dem so eine Idee zu einer gemeinsamen Idee wird. 00:48:52:20 - 00:49:39:22 Martin Zierold Oder, so würde ich es eben auch eher sehen, eine ganz neue gemeinsame Idee aus ganz vielen Ideen sich entwickelt. Und ich glaube einfach, dass dieser Prozess einer ist... Ich würde behaupten, der hört nie auf. Und insofern lerne ich selber zum Beispiel auch gerade... Ich habe selber, glaube ich, manchmal zu viel von der Akkreditierung gesprochen, weil sich damit auch das Bild verfestigt hat, die Akkreditierung ist der einzige Moment, wo man jetzt noch mal irgendwie groß nachdenkt und da muss der ganz große Wurf kommen und danach hat man dann irgendwie alles anders oder ganz viel Innovation im System und läuft dann aber wieder quasi mit dieser Innovation irgendwie auf dem nächsten Level oder so was. Und ich glaube, so funktioniert es eben dann tatsächlich auch im Alltag, in der Praxis nicht. Es gibt nicht den einen großen Wurf im luftleeren Raum in dem Moment, wo man das Alte nimmt und noch mal ein paar Schrauben rauswirft und noch mal alles neu arrangiert und dann weitermacht. 00:49:39:22 - 00:50:22:11 Martin Zierold Sondern es wird bestimmt spürbare Entwicklungsschritte auch im Kontext der Akkreditierung gehen, aber damit hört es nicht auf. Sondern dann eigentlich geht es darum, die Ideen überhaupt erst mal in Studiengängen, die ja alle, mindestens wenn Studierende das schnell machen, zwei Jahre oder länger dauern, auch wirklich vom ersten Semester bis zum letzten Semester wirklich mit Leben zu füllen. Und dabei lernt man wieder was und entwickelt es wieder weiter. Also ich glaube so ein bisschen verstehe ich selber gerade, dass es auch ein bisschen ein Entlasten dieses Moments der Reakkreditierung für uns braucht und ein wirklich eher Sehen eines ganz langen Marathons, des kontinuierlichen, gemeinsamen Nachdenkens, Ideensammelns, Ideenausprobierens, der im besten Fall nie aufhören sollte. 00:50:23:10 - 00:51:24:07 Joyce Diedrich Was mir nur dazu einfällt, weil das so schön ist, weil genau diese Prozesse, die Sie gerade beschrieben haben, wirklich für uns sichtbar geworden sind im Laufe des ersten Studienjahres. Also das muss man schon so sagen, wir haben dann ja auch von der Reakkreditierung gehört. Und trotzdem passieren ja wirklich am laufenden Band gerade Dinge und kleine Projekte werden größer und verschiedenste... Also sowohl digital als auch jetzt vor Ort. Man kriegt so mit, dass sich immer die Dinge weiterentwickeln und das ist eben genau wie Sie sagen also. Aber trotzdem ist es auch dieser Gedanke, dass wir, glaube ich, so... Ich glaube, jeder Studierende denkt einmal kurz: Ah, in zwei Jahren wird der Studiengang neu gemacht; ach schade, Mist, warum habe ich das denn jetzt gemacht? Also es ist so dieses vorschnelle Denken, als würde die Qualität dann mit einem Schlag um 500 % besser werden und so. Anstatt zu sehen: Nee, die Studienbriefe werden jetzt schon ausgetauscht, nach und nach, es gibt jetzt schon die Entwicklungen und die Angebote und so weiter. Also ne, das nur ganz kurz, als auch vielleicht Rückmeldung mal von unserer Seite. Genau. 00:51:24:07 - 00:52:29:19 Eva Hüster Ja, ich finde, auch hier ist irgendwie dieser Hochschulkontext zumindest an unserem Institut für Kultur- und Medienmanagement, so wie in klein das, was ja auch in groß stattfindet. Also dass die Veränderung eben überhaupt nicht mehr was Punktuelles ist oder was sprunghaft passiert, sondern wie wir ja sehen. Also jetzt ganz persönlich gesprochen: gerade ist irgendwie Corona so am Abklingen und man kann das erste Mal ein bisschen durchatmen und dann kommt was noch viel Größeres, nämlich ein Krieg, ein Angriffskrieg in der Ukraine und irgendwie die Anforderungen daran, sich ständig zu verändern, werden ja immer häufiger oder immer größer. Und das ist ja auch was, was wir, glaube ich, hier am Institut auf eine bestimmte Art lernen. Nämlich so, das tatsächlich Transformation eigentlich ein konstanter Prozess sozusagen ist, also auch wenn es ein Widerspruch ist. Aber es ist etwas, was permanent stattfindet und eben nicht, wie Sie sagen, nur punktuell. 00:52:29:22 - 00:52:30:18 Martin Zierold Ich bin ganz bei Ihnen. 00:52:31:06 - 00:53:16:00 Eva Hüster Ja, und da kann man vielleicht auch die letzte Frage anschließen, die wir gerne immer stellen, weil wir ja doch immer sprechen mit Menschen... also wir ja immer sprechen aus der Perspektive der Studierenden. Und da wäre unsere Frage: Wir sind ja angehende Kulturmanagerinnen in einer Welt, die so ist, wie sie ist, nämlich wie gerade beschrieben. Also verknappt könnte man sagen: Diese Vuca-Welt, in der wir arbeiten werden, in der wir auch leben. Und unsere Frage an Sie wäre, ob sie vielleicht einen Ratschlag oder einen Hinweis oder einen Leitsatz hätten, den Sie uns - stellvertretend natürlich für alle, die sich damit beschäftigen - mit auf den Weg geben wollen, auf den weiteren. 00:53:16:22 - 00:54:19:09 Martin Zierold Also das ist eine Frage, auf die man sich ja vorbereiten konnte, weil sie sozusagen in der einen oder anderen Form ja eben wirklich eine Standardfrage ist. Und ich tue mich also mit dem Finden einer Antwort natürlich sehr, sehr schwer aus verschiedenen Gründen. Das erste ist und das ist mir jetzt wirklich auch durch Corona noch mal sehr deutlich geworden: Ich glaube, es gibt ja immer den Punkt, auch in einer, sagen wir mal, gerade in einer Lehrendenbiografie, wo man scherzhaft oft ja sagt: So komisch, die Studierenden werden immer jünger. Und irgendwann merkt man ja: Nein, man ist es eher selber, der immer älter wird und die Studierenden sind ja mehr oder minder im immer gleichen individuellen Alter, wenn sie an der Hochschule sind. Und auch schon vor Corona kommt natürlich auch ein Moment, wo man einfach merkt: Jüngere Generationen haben an bestimmten Stellen einfach eine andere Lebenswirklichkeit, eine andere Erfahrung, andere Sozialisation. Und dieser Unterschied, der am Anfang vielleicht, wenn man selber noch in der Promotion steckt, das erste Mal unterrichtet und eigentlich das gleiche Alter hat wie die Menschen, die da vor einem sitzen, entstehen da Punkte, wo man einfach merkt so, dass... da sind Sachen anders, die kann ich vielleicht gar nicht mehr verstehen oder jedenfalls sind sie mir nicht unmittelbar so vertraut, wie sie es noch waren, als man eben selber noch sehr viel näher dran war an dieser Lebenswirklichkeit. 00:54:19:09 - 00:55:28:23 Martin Zierold Und diese erste Erkenntnis gekoppelt dann mit so etwas wie Corona, wo ich wirklich sagen muss.. Es ist, glaube ich, schwer vorstellbar, was das für ein Studium bedeutet, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Und selbst als ein Hochschullehrer, der natürlich ganz nah dran war, der an ganz vielen Stellen genauso herausgefordert war im Sinne von: Wie finden wir jetzt gemeinsam Formen, die digital funktionieren, wo wir vorher im Klassenzimmer zusammengesessen haben?, gibt es natürlich Elemente von einfach dieser Lebensphase Studium, die durch Corona einfach ausgesetzt waren und für manche ja im Prinzip fast ihr ganzes Studium über ausgesetzt waren. Verbunden mit unglaublichen Fragen: Was ist eigentlich, wie wird die Welt dann danach aussehen? Was heißt das für Berufsmöglichkeiten? Und so weiter. Also eine solche Form der Zuspitzung, auch von Unsicherheit. Sie haben es ja selber auch sozusagen diese Vuca-Welt angesprochen, wo jetzt jemand wie ich, der tatsächlich im Vergleich eigentlich... Sagen wir mal, '89 war ich zwölf Jahre alt, da ist die Mauer gefallen. Dann habe ich irgendwie Abitur gemacht, ein paar Jahre später, habe eine Studienzeit gehabt, die von vergleichsweiser Stabilität, natürlich haben wir da auch schlimme Entwicklungen in Europa momenthaft gehabt. 00:55:28:23 - 00:56:37:05 Martin Zierold Aber doch im Großen und Ganzen, wenn man jetzt mal vergleicht, was so die letzten drei, vier Jahre und insbesondere noch mal die in der Coronazeit Studierende durchgemacht haben, dann kann man schon sagen, so das Leben meiner Generation ist eine große Party gewesen im Vergleich. Und zwar gerade auch mit Blick auf die Studienzeit. Und dann habe ich noch unglaubliches Glück gehabt und konnte jetzt sozusagen die Schwierigkeiten, die es jetzt gibt sozusagen als Beamter ohne irgendwie Kurzarbeit und Zukunftsängste verbringen. Und aus dieser Rolle heraus jetzt Ihnen zu sagen, wie Sie in dieser völlig anderen Situation, in einer anderen Generation, in einer anderen Kultur mit anderen medialen Bedingungen... Was ich Ihnen jetzt für Tipps geben möchte, finde ich tatsächlich ganz, ganz schwierig in der Position. Und tue mich deswegen sehr, sehr schwer. Jetzt will ich mich auch nicht völlig wegdrücken. Aber tatsächlich, ich brauche diese Vorrede, um zu erklären, dass mir das zumindest sehr bewusst ist. Und wenn ich jetzt überlege, was ist das, was mir vielleicht in solchen Situationen von großer Unsicherheit, Komplexität, ohne die gleichsetzen zu wollen mit diesen fundamental existenziellen Fragen, die sich gerade einfach türmen und die Ihre Generation auch noch mal anders betreffen, weil Sie noch mal viel länger damit zu tun haben werden, als das jemand, der in der Mitte seines Lebens steht, dann, glaube ich, ist sozusagen tatsächlich das Fragenstellen das. 00:56:37:05 - 00:57:52:15 Martin Zierold Also und dann wäre also quasi das, was ich irgendwie als... Was mir geholfen hat, was ich teilen kann ist sozusagen, einen fragenden Blick auf die Welt und auch auf andere Menschen... Also die Fragen mindestens so schätzen wie die Antworten. Und vielleicht in Verbindung mit so einer auch mit geisteswissenschaftlichen Prädisposition: das Fragen ganz oft als ein sozusagen Hinter-fragen und kritisch fragen.... Ich glaube, das ist ein Element, das ganz wichtig ist. Und ich würde aber tatsächlich sagen, die Fragen, die mir manchmal noch mehr geholfen haben, sind eher die spekulativ nach vorne gerichteten Fragen. Also: Was wäre wenn? Was passiert eigentlich, wenn wir dies mal ausprobieren? Was könnten wir denn hier noch tun? Und damit will ich jetzt auch wieder nicht sagen, nicht kritisch fragen, aber ich glaube einfach, da so ein Mix zu finden aus kritisch fragen und dann aber immer wieder auch Fragen, die nach vorne schauen und Fragen, die imaginieren und Fragen, die andere einladen, was zu teilen. Das ist, glaube ich, eine Haltung, die vielleicht in solchen Phasen, wo es ohnehin nicht die stabilen Antworten gibt, was ist, was für mich immer wieder mal hilfreich gewesen ist, sozusagen da gar nicht so sehr zu schnell auf Antworten zu hoffen, sondern eher im Suchen nach guten Fragen und im Ausprobieren der Antworten, die andere geben, irgendwie sich inspirieren zu lassen. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit oder ein Teil von dem. 00:57:53:14 - 00:57:54:23 Eva Hüster Vielen Dank. 00:57:54:23 - 00:57:55:13 Joyce Diedrich Vielen Dank. 00:57:55:16 - 00:57:57:06 Martin Zierold Danke für das Gespräch. Hat sehr viel Spaß gemacht. 00:57:57:12 - 00:58:11:22 Musik [Musik. Verzerrte Stimme: Kulturmanagement innovativ]