00:00:00:22 - 00:00:11:20 Musik [Musik. Verzerrte Stimme: Kulturmanagement innovativ] 00:00:11:20 - 00:00:15:15 Eva Hüster Herzlich willkommen zu unserem Podcast "Kulturmanagement innovativ... 00:00:15:15 - 00:00:25:08 Joyce Diedrich Kontakt". Ein Projekt der Hamburg Open Online University von und mit StudentInnen des Instituts für Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. 00:00:25:09 - 00:00:26:22 Eva Hüster Mein Name ist Eva Hüster. 00:00:26:22 - 00:00:30:15 Joyce Diedrich Und ich bin Joyce Diedrich. Und diesmal sprechen wir mit Dr. Annett Baumast. 00:00:31:02 - 00:00:47:17 Eva Hüster Mit Dr. Annett Baumast sprechen wir darüber, wie sie dazu gekommen ist, sich schon fast 30 Jahre mit Fragen der Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Wir setzen Kulturmanagement und Nachhaltigkeit in ein Verhältnis, sprechen über Nachhaltigkeit als Haltung und über die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. 00:00:48:01 - 00:01:06:22 Joyce Diedrich Viel zu wenig sprechen wir über die vielen Projekte, an denen Annett Baumast beteiligt ist, oft sogar als deren Initiatorin. Zum Beispiel ihr Büro "baumast. kultur und nachhaltigkeit". Oder das Netzwerk Nachhaltigkeit, Kunst und Kultur in der Schweiz oder das neue KSB-Programm Zero. Weiterführende Links hierzu findet ihr in den Shownotes. 00:01:07:20 - 00:01:09:20 Eva Hüster Liebe Annett, schön, dass du da bist. 00:01:10:11 - 00:01:12:01 Annett Baumast Ja, ich freue mich sehr, hier bei euch zu sein. 00:01:12:12 - 00:01:47:00 Eva Hüster Du engagierst dich in Vereinen, du bist auch Vorsitzende vom Netzwerk Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur in der Schweiz. Du hast gerade die zweite Auflage eines Lehrbuchs herausgebracht und du unterrichtest nicht nur uns, aber auch uns angehende Kulturmanager:innen am Institut KMM. Also du bist wirklich vielfältigst unterwegs und man kriegt so ein bisschen den Anschein, dass es vor allen Dingen ein Thema gibt, was dich umtreibt, weniger als jetzt eine bestimmte Berufsrichtung. Warum hast du dieses Thema Nachhaltigkeit gewählt? 00:01:48:11 - 00:02:54:03 Annett Baumast Also das Thema Nachhaltigkeit als solches ist irgendwie so ein bisschen zu mir gekommen, habe ich fast das Gefühl, mehr, als dass es eine ganz, ganz bewusste Wahl war. Und zwar hat mich das eigentlich schon während meines ersten Studiums beschäftigt. Ich habe damals Wirtschaftswissenschaften studiert, noch auf Diplom - also ist schon eine Weile her - und es gab drei verschiedene Vertiefungsfächer. Und eines dieser drei Vertiefungsfächer war bei mir Umwelt, Ökonomie und Systemmanagement. Also da bin ich eigentlich schon in Berührung gekommen mit dem Thema. Anfang der 90er war das auch in den Medien natürlich ein großes Thema, auch wenn man heutzutage manchmal den Eindruck hat, das passiert noch gar nicht so lange, dass wir uns da so intensiv mit auseinandersetzen. Und ja, so bin ich da, ich sage jetzt mal in Anführungszeichen "reingeraten" und eigentlich auch hängengeblieben. Und habe das dann nach ganz unterschiedlichen Positionen auch verknüpft mit etwas, was vielleicht eher, ja, eine Leidenschaft ist oder ein Interessensgebiet, nämlich dem Kulturbetrieb. Und deswegen beschäftige ich mich seit einigen Jahren mit Nachhaltigkeit spezifisch im Kulturbetrieb. 00:02:54:17 - 00:02:58:21 Joyce Diedrich Magst du einmal erzählen, wie dein Bezug zum Kulturbetrieb ist oder zum Kulturbereich? 00:02:59:07 - 00:04:07:14 Annett Baumast Ja, also ich bin eigentlich vor allem Kulturnutzerin, würde ich sagen. Die Sparte, die mich mit am meisten nach wie vor eigentlich reizt, ist das Theater. Und da habe ich so einen kleinen persönlichen Schwerpunkt auf Shakespeare. Und habe das dann auch aus, ja, aus Interesse, Lust und Leidenschaft noch in ein spätes Studium gegossen, wo ich tatsächlich in Stratfort vor Ort am Shakespeare Institut studieren konnte. Das hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und das war immer verknüpft... Jeder Aufenthalt also war eigentlich auch ein Fernstudium, was ihr ja gut kennt. Und jeder Aufenthalt vor Ort war dann natürlich immer verknüpft auch mit Theaterbesuchen etc. Und das ist mir bis heute auch geblieben, wenn es denn dann möglich ist. Und ansonsten interessieren mich aber auch andere Sparten. Auf jeden Fall. Also Schwerpunkt Kulturnutzerin. Ich habe mich selber auch ein bisschen versucht in der Kultur, vor allem im Bereich Ausstellungen, habe da mitorganisiert und mitkuratiert. Und das ist so ein bisschen die zweite Seite, die ist aber weniger ausgeprägt bei mir. 00:04:07:23 - 00:04:09:15 Joyce Diedrich Und wie bist du zum Unterrichten gekommen? 00:04:10:00 - 00:05:19:01 Annett Baumast Das war schon sehr, sehr früh nach Abschluss meines ersten Studiums. Da bin ich gefragt worden, ob ich nicht das Thema Umweltökonomie ganz spezifisch unterrichten könnte in einer Weiterbildungs... oder in einem Weiterbildungsangebot für - so hieß das damals - arbeitslose Akademiker aus der ehemaligen DDR. Das war in Rostock, Mitte der 90er Jahre. Und das war so das erste Mal, das war an dem... Oder mich hatte jemand an dem Lehrstuhl kontaktiert, wo ich damals gearbeitet habe. Und so habe ich das eigentlich angefangen und mir hat es viel Freude gemacht, auch wenn es zum Teil eine große Herausforderung war, weil ich eben frisch ab Uni teilweise mit Menschen, die schon sehr lange vorher im Berufsleben gestanden hatten. Also da bin ich eigentlich so ein bisschen ins kalte Wasser geworfen worden und das hat mir aber letzten Endes ganz gut getan, weil ich da sehr, sehr viel gelernt habe. Und damals, muss man auch sagen, da habe ich noch mit Folien gearbeitet, also Overheadprojektoren und nachts dann immer die Folien geschrieben, die ich am nächsten Morgen brauchte. So. Das war also der Arbeitsmodus damals. 00:05:19:04 - 00:05:39:11 Eva Hüster Also wir versuchen in unseren Gesprächen eigentlich sukzessive dieses Berufsfeld KulturmanagerInnen oder Kulturmanagement abzustecken, und haben jetzt im Vorfeld auch selber überlegt, würden aber gerne erst mal dich fragen, ob du diese Begriffe Kulturmanagement und Nachhaltigkeit mal in ein Verhältnis setzen könntest. 00:05:40:20 - 00:06:34:15 Annett Baumast Das ist eine spannende Frage. Nachhaltigkeit ist natürlich als solches schon ein sehr, sehr breites Feld. Wird auch sehr inflationär genutzt. Häufig weiß man aber auch, wenn man es selber verwendet, nicht unbedingt, was konkret auch dahinter steht oder was konkret dahinter steckt. Und das in Beziehung zu setzen mit Kulturmanagement: Ich würde es vielleicht sehen vonseiten der Kulturmanager:innen, dass es aus meiner Sicht für alle auch die Aufgabe ist, sich im Arbeitsleben mit dem Thema auseinanderzusetzen, mit dem Thema Nachhaltigkeit und einen eigenen Beitrag in der Arbeit auch zu leisten. Also das wäre für mich so ein Ansatz zu sagen, so gehört es für mich zusammen. Das ist dann nicht unbedingt spezifisch für das Feld des Kulturmanagements, das betrifft natürlich auch alle anderen Bereiche, aber das fände ich jetzt ganz zentral in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit. 00:06:35:00 - 00:07:04:17 Eva Hüster Wir haben so ein bisschen darüber gesprochen. Herr Zierold stellt ja immer den Begriff der Haltung gerade sehr ins Feld. Und wir haben überlegt, ob das nicht sogar eigentlich denkbar wäre, dass man sagt: Also eine nachhaltige Haltung oder eine Haltung mit einem Bewusstsein für Nachhaltigkeit könnte quasi Teil einer Haltung sein, die als Kulturmanager:in funktioniert. Würdest du sagen, dass das stimmt oder ist es mehr oder weniger als das? 00:07:05:16 - 00:08:27:05 Annett Baumast Also Haltung gehört für mich eigentlich zu dem großen Themenkomplex von Nachhaltigkeit mit dazu. Und mir wäre wichtig, eine Haltung zu Nachhaltigkeit zu haben und sich damit auseinandergesetzt zu haben und nicht vielleicht Dinge zu übernehmen, ohne sie vorher reflektiert zu haben. Und von daher ist Haltung vielleicht verknüpft auch mit Wert, also [ist] eine Haltung, die sich an entsprechenden Werten ausrichtet auch im Kulturmanagement in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit wichtig. Wenn wir jetzt beispielsweise überlegen, gehen wir ins Feld von Sponsoring, von Förderungen, von finanziellen Kooperationen, ist es ja auch eine Haltungsfrage, mit wem ich tatsächlich Kooperationen eingehe beispielsweise und mich vielleicht sogar mit für mich nachteiligen finanziellen Auswirkungen gegen eine Partnerschaft entscheide. Und das gehört für mich... Diese Überlegungen und die Auseinandersetzung damit gehören für mich auch mit dazu. Wenn ich für mich in meiner Kultureinrichtung oder vielleicht auch in meiner eigenen Arbeit dann als Kulturschaffende Nachhaltigkeit mich mit Nachhaltigkeit auseinandersetze oder aber in einer Institution ein Nachhaltigkeitsmanagement beispielsweise aufbaue. 00:08:28:05 - 00:08:55:01 Joyce Diedrich Auf deiner Webseite beziehst du dich auch auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN. Und mir ist dabei aufgefallen, noch mal, dass mein Begriff oder mein Verständnis vom Begriff Nachhaltigkeit sehr viel enger gefasst war als er hier zusammengefasst wird. Und mal ketzerisch gefragt: Was ist denn Nicht-Nachhaltigkeit? Was umfasst Nicht-Nachhaltigkeit? Und wie bleibt deine Arbeit konkret? 00:08:55:16 - 00:10:25:14 Annett Baumast Also Nicht-Nachhaltigkeit im Arbeiten, das wären quasi so die Antipoden von den 17 Nachhaltigkeitszielen oder Zielen von nachhaltiger Entwicklung. Das heißt auf der ökologischen Seite, das ist ja die eine Dimension von Nachhaltigkeit, verschwenderisch mit Ressourcen umzugehen, ohne mir darüber Gedanken zu machen. Auf der sozialen Seite, der zweiten Dimension von Nachhaltigkeit, da kann man dann auch sagen nicht nachhaltige Umgang mit menschlichen Ressourcen, wenn man das so bezeichnen möchte. Das finde ich immer ein bisschen schwierig, aber lassen wir es jetzt einfach so für die Definition mal so stehen. Also die Arbeitsweisen, ne? Wie gehe ich beispielsweise mit Mitarbeitenden um? Erfahren die in ihrer Arbeit Wertschätzung? Gibt es wirklich eine Gleichbehandlung? Etc. etc.? Und die dritte Dimension von Nachhaltigkeit ist die wirtschaftliche, da auch der nicht nachhaltige Umgang mit Finanzen, mit Geldern oder eben beispielsweise auch die Frage: Wenn ich tatsächlich die Möglichkeit habe, auch vielleicht Anlagen zu tätigen, weil ich eine Stiftung bin, dann zu schauen, wo fließt mein Geld dann hin. Also gehe ich dann zu einer Bank beispielsweise, die verschiedene, nicht nachhaltige Tätigkeiten oder Branchen auch mit berücksichtigt bei den Anlagen oder gehe ich zu einer Bank, die das ausschließt? Und Moment, da war noch ein zweiter Frageteil. Wie wird das konkret in der Arbeit? 00:10:25:14 - 00:10:26:16 Joyce Diedrich Genau. 00:10:26:16 - 00:12:07:04 Annett Baumast Da geht es tatsächlich darum, die 17 Ziele als Ausgangspunkt zu nehmen. Die haben ja noch 169 Unterziele tatsächlich, die zum Teil sehr spezifisch sind. Und wenn es im Bereich Gesundheit um die Reduktion von Kindersterblichkeit geht, was ein Ziel ist, und ich gehe hin als Theater und frage mich: Na ja, was hat das jetzt eigentlich mit mir zu tun?, genau da noch einen Schritt zurückzugehen, die 17 Ziele als Überthemen zu verstehen und zu überlegen: Was heißt das jetzt in meinem Haus oder in meiner Arbeit für mich? Also Thema Gesundheit. Was wäre - wenn wir jetzt noch mal das Beispiel Theater nehmen - was wäre da eigentlich relevant? Was muss ich berücksichtigen? Und da könnten wir dann in die Technik reingehen, wo inzwischen ein gewisser Überalterungsprozess auch stattfindet. Also im Durchschnitt sind die Mitarbeitenden in der Technik älter als jüngere. Und damit sind natürlich auch andere gesundheitliche Herausforderungen vorhanden. Und wie kann ich dem beispielsweise entgegnen? Das wäre noch mal so ganz konkret runtergebrochen, dass die Gesundheit für mich in meinem Theaterbetrieb, in der Technik als ein Beispiel. Und so lassen sich eigentlich alle, alle Ziele, ich sage mal, ein bisschen kneten: und es lässt sich dann ableiten. Können wir was beitragen? Können wir zu allen Zielen was beitragen? Sind manche aus unterschiedlichen Gründen vielleicht relevanter? Also Leben unter Wasser ist, wenn ich jetzt auf dem trockenen Land sitze, vielleicht irgendwie schwierig, da einen Beitrag zu leisten, außer ich habe konkreten Bezug dazu, wie das Opernhaus in Sydney, was am Hafen liegt und ein künstliches Riff versenkt hat, als ein Beispiel. 00:12:08:06 - 00:12:37:23 Joyce Diedrich Das erinnert mich an eine Situation, wo ein Geschäftsführer in einem Theater bei einer Betriebsversammlung gesagt hat: als weiteren Unterpunkt der Tagesordnung Nachhaltigkeit - Da gibt es derzeit nichts, was dieses Theater tun könnte; wir haben ein paar zu viele Kühlschränke, das ist uns aufgefallen; aber auch daran wird jetzt nichts geändert. Wie... Vielleicht direkt mal: Hast du da einen Tipp, wie man mit so was umgeht als Arbeitnehmer:in? 00:12:38:14 - 00:13:37:22 Annett Baumast Das ist, würde ich sagen, eine der großen Herausforderungen tatsächlich. Das wichtigste in diesem Kontext ist für mich eigentlich immer, den Dialog zu suchen und das Thema anzusprechen, auf den Tisch zu legen und vielleicht auch aufzuzeigen, dass wirklich alle was zu dem Thema beitragen können. Das ist bei manchen ein größerer Schritt, bei anderen ist es ein kleinerer Schritt. Aber es können alle was beitragen. Und eben, was mit den 17 Zielen, finde ich, eigentlich auch ganz gut gezeigt wird, es beschränkt sich halt nicht auf die ökologische Dimension, auch wenn die natürlich ganz, ganz wichtig ist - Klimakrise ganz wichtiges Thema -, aber es gibt ja auch noch weitere Ziele. Und deswegen glaube ich, ist es da wirklich wichtig, in den Dialog zu treten und das zu thematisieren. Ob das bei so einer Versammlung der richtige Moment ist, das ist dann situativ wahrscheinlich unterschiedlich, aber da auf jeden Fall sich nicht zurückzuhalten, sondern darüber zu sprechen oder es zumindest zu versuchen. 00:13:38:23 - 00:13:57:14 Joyce Diedrich Mir fällt da der Begriff Ganzheitlichkeit ein, muss ich sagen. Mit dem... Also gibt es da irgendwie eine Auseinandersetzung mit diesen Begrifflichkeiten? Also wieso... Nachhaltigkeit klingt wie eine Folge von dem, wenn man diese ganzen Ziele erreicht. Gibt es da eine Auseinandersetzung damit? 00:13:59:03 - 00:15:05:13 Annett Baumast Ganzheitlichkeit, finde ich, ist ein schwieriger Begriff. Und Nachhaltigkeit ist für mich nichts... zumindest nicht absehbar, was wir irgendwann mal erreichen werden. Also wir werden nicht irgendwann das nachhaltige Theater haben oder das nachhaltige Museum oder... Das ist letzten Endes eine Reise, auf die wir uns begeben, in der wir versuchen, wenn wir es denn, wenn wir es tun, wenn wir auf diese Reise gehen, uns kontinuierlich zu verbessern und den Zielen näher zu kommen. Und die 17 SDGs, die sind ja auch erst mal "nur" in Anführungszeichen oder nur noch bis 2030. Wir haben nur noch acht Jahre. Es gibt sie schon seit 2015. Und das wird natürlich auch fortgeschrieben werden, so wie sich gesellschaftliche Verhältnisse ändern, so wie sich auch natürliche Verhältnisse ändern. Also wir haben ja jetzt auch im Bereich der Ökologie Phänomene, die wir vielleicht erwartet haben, die wir aber noch nicht unbedingt mit berücksichtigt haben und auf die wir uns einstellen müssen und wo wir darauf eingehen müssen. Und so verändert sich das kontinuierlich und wir verändern uns hoffentlich im Positiven mit. 00:15:06:07 - 00:15:42:12 Eva Hüster Wir haben im Fach Cultural Leadership den Begriff Effectuation kennengelernt, der, glaube ich, vor allen Dingen einen Aspekt auch beinhaltet, nämlich die Mittelorientierung. Also sozusagen den Versuch, immer auszugehen von dem, was schon da ist und damit was zu schaffen. Ist das hilfreich? Also ist das vielleicht schon ein Anfangspunkt zu sagen: Können wir ausgehend von dem, was wir haben... Oder würdest du das noch radikaler sehen? Und muss man wirklich neu denken? Oder... Ja. 00:15:43:20 - 00:17:19:07 Annett Baumast Also ich denke, man kann das, was man hat, was vorhanden ist, spiegeln, beispielsweise an den 17 Zielen und schauen, ob da eine Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Das dann allerdings nur darauf zu beschränken, da sehe ich tatsächlich eine Gefahr, sogar vielleicht der Verhinderung, dass ich sage: Na ja, ich habe ja gar nicht so viel oder ich habe nichts. Und dann kann ich aber auch gar nichts umsetzen. Und nicht zu fragen: Was bräuchte ich denn? Oder: Wo könnte ich mir vielleicht auch Hilfe holen? Und Hilfe holen oder beispielsweise auch Vernetzung ist ganz zentral in diesem Thema. Denn was wirklich hilfreich ist, ist, wenn ich von anderen erfahre, was sie dann schon gemacht haben. Und ich merke: Huch, das wäre bei mir auch möglich, ich bin ja einfach gar nicht drauf gekommen, dass es das gibt. Und es gibt schon unglaublich viel, lange Jahre, nicht unbedingt im Kulturbereich. Aber auch da hat es jetzt wirklich zugenommen in den letzten Jahren, dass es gute Beispiele gibt, gute Ansätze, viele haben schon alles Mögliche durchprobiert, können positiv drüber sprechen. Und vielleicht auch negative Erfahrungen, in dem sie sagen: Na ja, wir haben das jetzt mal ausprobiert, das passt aber gar nicht für uns. Und da würde ich eine Gefahr sehen, sich limitieren zu lassen von dem Ansatz und eben nicht rauszugehen oder zu sagen: Hey, wir müssten XYZ machen, wir müssten eigentlich, keine Ahnung, unsere Klimaanlage sanieren, wir haben jetzt aber kein Geld da. Und mich dann davon abzuhalten oder davon abhalten lassen, einen Förderantrag zu schreiben beispielsweise. Das wäre so ein bisschen die Gefahr, die ich dabei sehen würde. 00:17:19:18 - 00:17:46:23 Eva Hüster Das... Ich bin froh, weil: Das disqualifiziert den Begriff Effectuation noch nicht, weil ein anderer Aspekt, glaube ich, die Vernetzung ist. Insofern bin ich gerade erleichtert, dass wir den damit jetzt nicht genau disqualifizieren mussten. Tatsächlich ist es vielleicht doch jetzt ein Moment, wo wir dich auch noch mal fragen könnten. Es gibt ja dieses Projekt Zero von der Kulturstiftung des Bundes. Vielleicht kannst du da noch mal erzählen, weil: Das ist ja unter anderem eine Möglichkeit zur Vernetzung. 00:17:47:22 - 00:18:59:01 Annett Baumast Ja, das ist ein Förderprogramm und ein Fonds, der ausgeschrieben ist von der Kulturstiftung des Bundes. Und da geht es darum, klimaneutrale Produktionen, Projekte zu fördern. Und da ist mit eine der Bedingungen, dass das eigene Haus, das den Antrag stellt, auch eine Klimabilanz erstellt und dafür aber eben auch Support da ist und gleichzeitig das ganze Programm. Das startet dann Ende des Jahres 2022, also Ende diesen Jahres. Da ist dann auch eine Art Akademie vorgesehen, wo die Teilnehmenden auch dann Schulungen erhalten, sich eben vernetzen können, Erfahrungen austauschen können und auch von schon bestehender Erfahrung profitieren können, weil natürlich jetzt in den letzten Monaten, letzten Jahren einiges passiert ist und da dann wirklich auch angeknüpft werden kann, dass Wissen geteilt werden kann. Die Kulturstiftung des Bundes hat ja ein Projekt durchgeführt und in 19 Kultureinrichtungen in Deutschland Klimabilanzen erstellen lassen. Und von dieser Erfahrung, glaube ich, können dann auch die Teilnehmenden an dem Fonds Zero sicherlich profitieren. 00:18:59:18 - 00:19:06:22 Joyce Diedrich Ein ähnliches Buzzword, sage ich mal, mit dem wir uns in unserem Podcast beschäftigen, ist eben Innovation. Was bedeutet Innovation für dich? 00:19:08:05 - 00:19:33:10 Annett Baumast Also ich verknüpfe Innovation mit Erneuerung und gleichzeitig aber auch zum Teil zielgerichtete Erneuerung, nämlich in Form von dem Lösen von bestehenden Problemen. Also, sagen wir mal, nicht Innovationen um der Innovation willen, sondern auch die Ausrichtung darauf, wirklich Probleme zu lösen. Und das ist natürlich ganz stark auch im Kontext Nachhaltigkeit natürlich, weil das eben mein Thema ist. So würde ich das definieren. 00:19:34:02 - 00:19:43:09 Eva Hüster Wo würdest du denn von diesem riesigen Feld der Nachhaltigkeit aus Potenziale für Innovationen sehen? 00:19:44:23 - 00:20:39:05 Annett Baumast Ich denke, wir brauchen unter anderem nicht nur, aber unter anderem auch Innovationen, um mit verschiedenen Nachhaltigkeitsherausforderungen umgehen zu können. Also es müssen neue Wege erfunden werden oder gefunden werden. Es müssen vielleicht auch neue Prozesse gefunden, entwickelt werden. Und das betrifft dann auch durchaus überhaupt nicht nur die ökologische Seite, sondern auch die soziale, die gesellschaftliche Seite. Also Innovationen im Miteinander, ich sage, jetzt auch gerade mal in Kulturbetrieben, Kultureinrichtungen. Ich glaube, da ist sicherlich einiges notwendig, um im Kontext Nachhaltigkeit die Ziele zu erreichen oder sich auch selber eben positiv weiterzuentwickeln. Aber das ist sicherlich nicht das Einzige, was wir benötigen, um den Herausforderungen der Nachhaltigkeit oder einer nachhaltigen Entwicklung tatsächlich begegnen zu können. Da sind noch andere Dinge definitiv notwendig. 00:20:39:18 - 00:20:55:16 Eva Hüster Gibt es denn vielleicht ein gelungenes Innovationserlebnis in Bezug auf Nachhaltigkeit, das du mit uns teilen würdest? Etwas, wo du dich freust, dass es so stattgefunden hat und auch zu einer Innovation geführt hat? 00:20:56:09 - 00:22:37:01 Annett Baumast Da muss ich direkt mal ein bisschen nachdenken. Also ich hadere nicht mit dem Begriff der Innovation, aber ich finde es immer so schwierig zu sagen: So, das ist jetzt total innovativ, noch nie dagewesen und ganz neu. Mir fällt jetzt so spontan eigentlich inhaltlich... Eben was neu ist, was jetzt aber auch schon nicht mehr einzigartig ist, ist so ein Projekt jetzt hier, also zumindest in Deutschland, wieder Fonds Zero. Eben Förderung mit Fokus aber auf das Thema Klima. Da gibt es jetzt gerade neu, habe ich gesehen, auch in Niedersachsen eine Ausschreibung, die ein bisschen unterschiedlich gelagert ist, aber auch genau das Thema aufgenommen hat. Also es gibt schon Nachahmer, das ist bei Innovation ja auch immer so und natürlich gut so in diesem Kontext. Und ich denke, es sind weniger jetzt Produkte, die entwickelt worden sind, aber auch da gibt es welche, die jetzt, ich sag mal in Anführungszeichen, aus "Nachhaltigkeitssicht" vielleicht ja einen großen Brocken bewegen. Wenn wir jetzt beispielsweise... Fällt mir jetzt gerade so spontan ein, das ist jetzt wirklich ein physisches Produkt. Es gibt Reinigungsschränke für Kostüme, die sind in den letzten Jahren entwickelt worden, die mit Ozon arbeiten, statt eben Chemikalien. Und gerade wenn wir jetzt von Mehrspartenhäusern mit noch Oper, mit Chören und so weiter ausgehen und uns überlegen, was da auch anfällt an Kostümen, die gereinigt werden müssen und was man da alles einsparen kann... 00:22:37:01 - 00:23:14:10 Annett Baumast Das wär jetzt mal so eine ganz, ganz konkrete technische Innovation. Und so kommt sehr viel eigentlich zusammen. Und Dinge einfach vielleicht auch mal anders zu machen. Ne? Was jetzt in der aktuellen Situation eine "Innovation" in Anführungszeichen wäre oder vielleicht eher eine Rückbesinnung auf was schon Dagewesenes oder was Bestehendes? Also eher Re-novation als In-novation. Das wäre zu sagen: Okay, wir produzieren jetzt nicht mehr so wahnsinnig viel, wie wir das aktuell tun. 00:23:14:10 - 00:24:03:13 Annett Baumast Im Theater jetzt wieder das Beispiel. Das hat ja unglaublich zugenommen in den letzten Jahren. Immer mehr Spielstätten, immer mehr Premieren, sondern wir gehen wieder zurück, wo wir mal waren und fahren das runter. Also da würde ich dann für die aktuelle Situation... Wenn man davon ausgeht, ist es natürlich neu, aber eigentlich ist es eine Rückbesinnung auf etwas, was schon mal dagewesen ist. Und ich glaube, diese Rückbesinnung, das ist im Kontext Nachhaltigkeit auch ganz, ganz wichtig, weil: Wir haben viele Dinge schon vor einiger Zeit eigentlich sehr, sehr gut gemacht und sind dann davon abgekommen. Also was jetzt ja so boomt, so Unverpackt-Läden oder so solche Themen. Ich bin als Kind mit der Milchkanne zum Laden gelaufen und habe Milch geholt und die wurde dann da aus dem großen Behälter abgezapft. Also, ne, alles nicht neu und aus Nachhaltigkeitssicht war das eigentlich ganz gut so. 00:24:04:16 - 00:24:14:22 Eva Hüster Noch eine kurze Nachfrage zu dem Ozonreinigungsschrank. Und zwar würde mich da total interessieren, von wo dann so eine Initiative ausgeht. Weißt du das zufällig? Also. 00:24:14:22 - 00:24:43:07 Annett Baumast Das war eine Firma, die den entwickelt hat, die sich insgesamt, glaube ich, mit dem Thema Reinigung beschäftigt. Und das war eine Entwicklung aus der Industrie und das ist... Also gerade beim Theater, wo ja mit vielen, vielen Materialien umgegangen wird, gibt es immer wieder neue Materialien, die eben umweltfreundlicher sind beispielsweise oder ressourcenschonender hergestellt werden können. Und da wird auch viel, viel ersetzt. 00:24:43:07 - 00:25:42:13 Annett Baumast Also jetzt Farben auf Wasserbasis beispielsweise eine Möglichkeit. Nicht nur im Theater kann, man natürlich auch in anderen Bereichen nutzen und woraus halt die Materialien bestehen. Und das ist dann ja immer wieder so ein Wechselspiel auch. Ne? Was wird nachgefragt? Und was kann ich mir als Zulieferbetrieb dann auch überlegen, an neuen Produkten, manchmal auch neuen Dienstleistungen anzubieten? Und dann entstehen auch daraus neue Produkte beispielsweise, die dann von Seiten der Industrie, manchmal auch gemeinsam... Also häufig werden auch Projekte, beispielsweise mit Industrie und Hochschulen und Theatern - Das war beim "Ring in der Oper in Göteborg so - dass da mehrere PartnerInnen gemeinsam an bestimmten Stoffen gearbeitet haben für Kostüme, die eben besonders umweltfreundlich und umweltschonend sein sollten. Also auch das gibt es immer wieder. Kooperationen, wo dann Neues bei entsteht, was sich vielleicht auch durchsetzt. 00:25:43:05 - 00:26:19:08 Eva Hüster Ich finde, man erahnt so, dass es irgendwie ganz viele Akteure gibt, die bereit dazu sind. Und ich habe aber das Gefühl, je näher man wirklich in den künstlerischen Prozess reingeht, desto komplizierter wird es, so eine neue Regel zu akzeptieren. Also wenn ich jetzt sehe, wie Bühnenbildner zum Beispiel arbeiten oder Kostümbildnerinnen oder umgekehrt, Bühnenbildnerinnen und Kostümbildner, dann gibt es zwar welche, die schon ein totales Bewusstsein dafür haben, aber die, die es nicht haben... Wie kriegt man die bereit für so was? 00:26:19:20 - 00:27:44:22 Annett Baumast Da kommt es so ein bisschen auf die Ausgangssituation tatsächlich auch drauf an. Aber es wäre ganz, ganz wichtig und zentral, dass schon von Anfang an bei einer Produktion das Thema Nachhaltigkeit mitgedacht wird. Und da in wirklich allen Bereichen überlegt wird, was ganz konkret umgesetzt werden kann. Also wie... Da sind auch eher die, glaube ich, die künstlerischen Akteur:innen gefordert, da auch mit eine treibende Kraft zu sein und auch das einzufordern. Also es lässt sich ja quasi in beide Richtung einfordern. Entweder es wird auf einem gewissen Produkt bestanden, was dann entsprechend eingesetzt wird, oder aber das spielt nicht so eine Rolle. Deswegen glaube ich, wäre das ganz wichtig, da ganz früh einen Punkt zu setzen und das dann letzten Endes umzusetzen. Ich glaube... Also, wenn ich jetzt ganz konkret so die Arbeitsschritte sehe, ist es ja letzten Endes vielfach eine Überlegung, manche Materialien nicht zu nutzen oder zu substituieren. Und da sehe ich eigentlich tatsächlich weniger Widerstände, obwohl es die natürlich auch gibt. 00:27:45:05 - 00:28:13:10 Annett Baumast Also es ist... Ich glaube, es kommt darauf an, auch wie in einem Haus gearbeitet wird, wie sich Prozesse durchsetzen, wo Entscheidungen getroffen werden, um da auch alle mit an Bord zu holen. Und beim Stichwort alle mit an Bord holen: Es ist absolut zentral - und das bezieht sich überhaupt nicht nur aufs Theater, das bezieht sich auf alle Institutionen, auch außerhalb vom Kulturbetrieb - es ist absolut zentral, dass die Führungsebene an Bord ist und das Thema unterstützt und auch mit vorantreibt. 00:28:15:00 - 00:28:32:00 Joyce Diedrich Hast du da Vergleichswerte zu anderen Betrieben, weil du eben auch gerade gesagt hast, auch in anderen Institutionen. Es würde mich interessieren. Also hängen die Kulturbetriebe quasi hinterher, wenn man jetzt mal auf, ich sag mal, auf Deutschland begrenzt guckt, wie das mit anderen Betrieben ist? 00:28:32:10 - 00:29:47:12 Annett Baumast Also in der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit hängen die Kulturbetriebe tatsächlich hinterher. Also das hat in den letzten, sagen wir mal, drei Jahren ungefähr an Fahrt aufgenommen, dass sich Kulturbetriebe mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Vorher war das wenig ein Thema. Es gab ganz wenige, die sich da engagiert haben. Und das hat jetzt definitiv an Fahrt aufgenommen. Und wenn wir überlegen, so manche Unternehmen aus der Industrie... Und da ist auch nicht alles sozusagen, auch nicht alles grün, was glänzt. Aber manche feiern gerade so ihren 20. Nachhaltigkeitsbericht und manche sogar auch schon ihren 30. Und da schaut man dann mal einmal so quer durch Deutschland. Und Kulturbetriebe mit Nachhaltigkeitsbericht kann man momentan noch suchen und an fast maximal zwei Händen abzählen. Um das also als ein Beispiel oder, ne... Nicht das, dass das alles schon wunderbar ist, wenn man dann mal Nachhaltigkeitsbericht publiziert hat. Es gibt ja inzwischen auch die Pflicht für die Berichterstattung zu nicht-finanziellen Kennzahlen. Das betrifft viele Unternehmen. Das wird aber zukünftig, weil das ausgeweitet wird auf verschiedenste Betriebe, [auch den] Bereich der Kultur betreffen. 00:29:47:20 - 00:30:09:11 Joyce Diedrich Das bestätigt so ein bisschen meine Wahrnehmung aus und dem Beispiel, was ich vorhin genannt habe, ne. Wenn quasi... Weil das Argument war, da auch einfach aus finanziellen Gründen kann sich unser Theater das jetzt nicht leisten, diesen Luxus der Nachhaltigkeit zu verfolgen. Ja. Aber das war natürlich nur ein Beispiel. Aber ja, traurig sage ich mal. 00:30:09:24 - 00:31:29:18 Annett Baumast Ja, also ich meine, es wird oder wurde sehr, sehr lange auch das Thema jetzt - ich fokussiere das mal auf ökologische Nachhaltigkeit - immer mit Kosten verknüpft. Also Umweltschutz kostet. Ich habe früher, als ich noch mit Folien gearbeitet habe, immer einen Zeitungsartikel oder einen Leitartikel gezeigt. Das war irgendeine Umweltzeitschrift. Ich weiß gar nicht mehr genau, was es war. Ich weiß auch keinen mehr, wo das ist. Muss mal suchen und vielleicht einscannen. Kostet uns der Umweltschutz jetzt die Wirtschaft oder so? Und dann frage ich immer: Ja, von wann ist die denn? Und das war dann irgendwie 1972 oder 76 oder so. Das ist tatsächlich in manchen Bereichen, wenn ich also wirklich große Investitionen tätigen muss, natürlich absolut korrekt. Aber es gibt unglaublich viele Maßnahmen, auch im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit, die nichts kosten oder die mir vielleicht sogar noch Geld einbringen. Vor allem dann, wenn ich bislang noch gar nichts gemacht habe. Also da kommen dann die sogenannten "low hanging fruits" ins Spiel, wo ich sehr, sehr schnell tatsächlich auch kleine finanzielle Erfolge feiern kann. Also ich kann mich erinnern, das ist jetzt aber schon einige Jahre her; im Zuge meiner Abschlussarbeit für mein Kulturmanagementstudium habe ich ja über Umweltmanagement im Theater geschrieben und bin da auch so ein bisschen durch die Lande gereist. 00:31:29:18 - 00:32:54:10 Annett Baumast Und da hat mir ein betrieblicher Leiter aus einem Haus erzählt, er sei mal in der Sommerpause durch das Haus gegangen und hat festgestellt, dass noch x PCs eingeschaltet sind, dass leere Kühlschränke laufen und dann hat er das alles mal ausgeschaltet und festgestellt, dass sich der Stromverbrauch dann, der vorher noch da war, um die Hälfte tatsächlich gesenkt hat. Und von daher... Da muss ich eben einmal durchs Haus gehen und die Dinge ausschalten. Das ist das Investment, was ich tätigen muss, um dann letzten Endes aber quasi schon ab der Minute weniger Geld auszugeben in Bezug auf das Thema Strom oder auch undichte Leitungen, Wasserleitungen, wo Wasser dann versickert, raustropft oder so. Also manchmal kann das, je nachdem eben, von wo ich komme, kann das schon sehr einfach sein, wirklich auch effektive Maßnahmen zu treffen. Dann kostet das auch nichts. Aber wenn eben dann größere Dinge anstehen, dann kann es durchaus sein, dass ich da das Geld nicht habe. Vielleicht kann ich es mir beschaffen durch Fördermaßnahmen. Oder aber wenn ich jetzt ein öffentliches Haus bin, da auch mit den Trägern und Trägerinnen tatsächlich ins Gespräch zu kommen und gemeinsam zu überlegen. Denn letzten Endes haben ja auch Länder... haben ja auch Kommunen Klimaziele beispielsweise, die sie erreichen müssen. Und die müssen sie ja auch mit den eigenen Betrieben zusammen erreichen. 00:32:55:17 - 00:33:01:10 Joyce Diedrich Wo siehst du in puncto Nachhaltigkeit die Verantwortung für uns angehende Kulturmanager:innen? 00:33:01:23 - 00:33:46:01 Annett Baumast Also die - da sind wir wieder so ein bisschen bei dem Ausgangspunkt zur Nachhaltigkeit - die 17 Ziele richten sich ja an alle. Ne? Die sind eigentlich die Nachfolgeziele von denen Millenniumsentwicklungszielen, die die 15 Jahre vorher abgedeckt hatten. Und die haben sich vor allem an Länder gerichtet, die sich noch in der Entwicklung befinden. Und das hat sich geändert. Und die 17 Ziele richten sich an alle. Das heißt, auch an euch angehende Kulturmanager:innen. Und da würde ich allen mit auf den Weg geben wollen: Schaut sie euch doch mal an und überlegt dann, an welcher Stelle ihr einen Beitrag leisten könnt und bei welchem Thema das sinnvoll wäre, das jetzt in der ganz konkreten Arbeit, die ihr macht, mit zu berücksichtigen und sich da vielleicht auch konkrete Ziele zu setzen. 00:33:46:09 - 00:34:05:16 Eva Hüster Du hast ja in zweiter Auflage gerade das eingangs schon erwähnte Lehrbuch "Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement" zusammen mit Jens Pape herausgegeben. Gibt es da noch ein Kapitel oder etwas... Also... Oder kannst du, kannst du noch mal sagen, warum das vielleicht auch eine gute Hilfe sein könnte? Ist es das überhaupt für uns? 00:34:06:19 - 00:34:35:00 Annett Baumast Absolut, ja. Also es ist jetzt nicht unbedingt auf den Kulturbetrieb ausgerichtet, aber lässt sich genauso auch vor allem in Kultureinrichtungen... Das ist jetzt weniger auf das einzelne Kulturschaffen, aber wirklich in Unternehmen, Organisationen - deswegen auch betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement - ausgerichtet und da absolut geeignet. Also das haben wir auch über die Jahre... Also das ist ja quasi das Folgebuch von "Betriebliches Umweltmanagement", was wir in vier Auflagen gemacht haben. 00:34:35:00 - 00:35:04:14 Annett Baumast Und das war immer auch die Rückmeldung aus der Praxis, dass die Bücher wirklich hilfreich sind, weil sie auch so das ganze Organisatorische, was eben dahinter steckt: Wie entwickle ich eine Nachhaltigkeitsstrategie, Ziele setzen, Ziele messen... Da haben wir ja auch noch ein zweites Buch noch mit zwei Kollegen zusammen Steffen Wellge und Simon Weihofen herausgegeben, wo es ganz konkret darum geht, betriebliche Nachhaltigkeitsleistung zu messen und zu steuern, weil es auch da inzwischen ganz viel gibt. 00:35:04:14 - 00:35:34:17 Annett Baumast Euch ist sicherlich auch schon der CO2-Rechner beispielsweise untergekommen, der ursprünglich mal von Julie's Bicycle in England entwickelt wurde, jetzt gerade vom Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien, an deutsche Verhältnisse adaptiert wird. Also ein Messinstrument, weil das auch ganz, ganz zentral ist, um überhaupt mal festzustellen: Wo stehe ich denn eigentlich? Wir haben eine ganz desolate Datenlage, was den deutschen Kulturbetrieb angeht in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit oder eben auch nur CO2. 00:35:34:17 - 00:36:45:00 Annett Baumast Also es gibt keine Erhebung, wo wir sagen könnten: Das ist hier eigentlich der Anteil, den der Kulturbetrieb ausmacht. Das wissen wir einfach noch gar nicht. Und um sich Ziele setzen zu können und irgendwo besser zu werden und dann auch wirklich zu messen, ob das funktioniert hat, dafür sind natürlich dann entsprechende Tools auch ganz, ganz wichtig. Und ich finde es auch hilfreich, um letzten Endes zu überlegen: Ja, vielleicht kann ich mich ja auch mit ähnlichen Betrieben austauschen. Oder sehen: Okay, die haben an dieser Stelle vielleicht eine bestimmte Maßnahme umgesetzt und das war total effektiv. Oder aber vielleicht funktioniert es auch, funktioniert es auch gar nicht. Und genau in diesem Buch "Betriebliche Nachhaltigkeitsleistung messen und steuern" haben wir ein Kapitel drin, da geht es um eine Ökobilanz. Und das Praxisbeispiel, was wir da auch mit genannt haben, ist eine Ökobilanz, die wir vor einigen Jahren am Theater Winterthur und dem Opernhaus in Zürich, also in der Schweiz, erhoben haben. Und da sind auch die Schritte erklärt, das Ergebnis erklärt und das auch noch mal so ein bisschen in den Gesamtkontext dann gesetzt. 00:36:45:09 - 00:37:34:24 Joyce Diedrich Eine Frage hätte ich doch noch am Ende. In dieser Zeit, in der wir mit täglich neuen Veränderungen konfrontiert werden und durchaus auch überfordert werden. Da frage ich mich bei diesem eben großen Thema der Nachhaltigkeit - Und du hast es eingangs schon erwähnt, dass es kein Ankommen geben wird. Dass es nie... Das fand ich eine, eine starke Aussage irgendwie, dass wir nie ein nachhaltiges Theater haben werden, quasi wo wir ankommen, sondern es ist... Ich sehe das jetzt als Prozess - Gibt es da auch bei dir Momente der Überforderung, wenn ich fragen darf? Und wann und wenn? Wie holst du dich da wieder raus? Weil du scheinst unglaublich zukunftsgewandt zu arbeiten. Gibt es da für dich irgendwie eine... Hast du da irgendwas wie ein Mantra oder ein Thema, wie du dich da motiviert hältst? 00:37:35:07 - 00:39:03:20 Annett Baumast Das erinnert mich an eine Frage, die habe ich mal nach einem Seminar zu Suffizienz gestellt bekommen von einer Studierenden. Die kam so zu mir und hat gesagt: Kann ich Sie mal was fragen? Ich so: Ja, klar. - Wie halten Sie das eigentlich aus? Und zwar wirklich im Sinne von so immer diese negativen Nachrichten und, ne, alles desolat und man kann doch eigentlich gar nichts mehr tun, alles zu spät. Und ich denke, was da einfach noch der... Also was vielleicht aktuell mich in allen diesen negativen Nachrichten, die uns derzeit beschäftigen und Krisen, in denen wir stecken... Ich glaube, was mich aktuell eigentlich sehr positiv stimmt ist, dass ich ja vor, weiß nicht, zwölf Jahren oder so mit diesem spezifischen Thema angefangen habe. Ne? Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb, vorher eher allgemein im Thema Nachhaltigkeit unterwegs. Und das war damals überhaupt kein Thema. Also im Gegenteil, ich habe auch an anderen Hochschulen unterrichtet und ich kann mich an eine erinnern, wo ich noch länger auch das Thema unterrichtet habe. Und da war wirklich so Arme verschränkt, nach hinten gelehnt, auch Kulturmanagementstudium: Was sollen wir uns denn jetzt mit Nachhaltigkeit beschäftigen? So, ne? Und das hat sich in den letzten 10 bis 12 Jahren wirklich geändert und das empfinde ich als sehr positiv. Also es ist eben... Es ist noch nicht so, dass das jetzt wirklich überall angekommen ist und völlig selbstverständlich, aber es ist immer mehr selbstverständlich, sich damit auseinanderzusetzen. 00:39:03:20 - 00:40:15:03 Annett Baumast Es ist überhaupt keine Frage mehr, dass auch Kultureinrichtungen und Kulturschaffende sich mit dem Thema auseinandersetzen müssen, sei es auch letzten Endes unter Zwang, weil die Trägerschaft was einfordert, beispielsweise an öffentlichen Häusern. Oder aber vielleicht wird auch inzwischen - und das taucht auch häufiger auf - immer mal wieder mehr vom Publikum erwartet. Wenn ich jetzt schon - und das ist ja eigentlich auch das Merkmal von Kulturbetrieb - wenn ich Inhalte auf die Bühne, in die Ausstellungen, wo auch immer hin bringe und das bei mir selber gar nicht anschaue und hinterfrage, wie ich eigentlich selber produzieren, ne - das kann man ja genauso auf soziale Themen auch beziehen -, dann ist das langsam inzwischen hart an der Grenze zum Verlust der Glaubwürdigkeit. Also auch das Publikum, was eben mit den Jahren auch kritischer, sensibilisierter geworden ist, fordert das auch genauso ein. Und das ist etwas, was ich im Moment eigentlich sehr, sehr positiv finde. Also dass das Thema wirklich so langsam ankommt, sich immer mehr damit auseinandersetzen und dass so diese kritische Masse auch immer mehr zunimmt. Und das, ja, hält mich eigentlich, glaube ich, so bei der Stange, würde ich sagen. 00:40:15:16 - 00:40:16:08 Eva Hüster Vielen Dank. 00:40:16:10 - 00:40:17:13 Joyce Diedrich Schön. Ja, vielen Dank. 00:40:17:21 - 00:40:20:01 Annett Baumast Ja, sehr, sehr gerne. Danke, dass ich hier sein durfte. 00:40:20:21 - 00:40:30:03 Musik [Musik. Verzerrte Stimme: Kulturmanagement innovativ]